Die Genogrammarbeit ist eine bewährte Methode aus der Familientherapie, die im Coaching einen schnellen und intensiven Blick in die Vergangenheit zulässt. Die Aufdeckung verdrängter Muster und Prägungen ist im ersten Moment jedoch emotional belastend. Durch das Herausarbeiten der familien-immanenten Ressourcen kann dieser Prozess in eine positive Verstärkung umgewandelt werden. Das Verständnis über die Herkunft eigener Grundüberzeugungen und Werte, die dem Verhalten zugrunde liegen, erleichtert dem Klienten oder der Klientin den Blick auf die Lösungsfindung. Tendenzen zur Selbstverurteilung werden aufgelöst und die Ressourcen zur Verhaltensänderung gestärkt.
Ein Genogramm ist eine Art Stammbaum, dargestellt in Form von Kreisen, welche für Frauen und Vierecke, die für Männer stehen, verbunden durch vertikale und horizontale Beziehungs-Linien. Nach oben zweigen die Eltern (bzw. darüber die Großeltern) und nach unten die Kinder (bzw. darunter die Enkel) ab. Es werden nicht nur direkte Vorfahren, sondern auch Geschwister oder andere Bezugs-personen eingetragen, genauso wie „verschwundene“ Angehörige, zum Beispiel Ex-Partner oder frühzeitig Verstorbene, für die weitere Symbole zur Verfügung stehen. Ergänzend zu den Personen werden die Art der Beziehungen, Lebenseckdaten (wie zum Beispiel „Flucht aus Ostpreußen“) sowie weitere relevante Informationen eingetragen. Für die Auswertung des Genogramms werden Hypothesen gebildet, unter der grundsätzlichen Fragestellung, welche Auswirkungen und Prägungen sich von dem jeweiligen Familiensystem auf die zu beratende Person ableiten lassen und welche Werte, Grundüberzeugungen und Haltungen in der unmittelbaren Herkunftsfamilie wohl von Bedeutung sind. Beispiele zur Genogrammerstellung gibt es im Internet, eine grundlegende Einführung zur Genogrammarbeit bei McGoldrick/Gerson (1990). Eine differenzierte und gut strukturierte Vorgehensweise zur Hypothesenbildung in der Genogrammarbeit ist bei Hildenbrand (2005) zu finden, der die Herangehensweise der Objektiven Hermeneutik nach Oevermann in die Genogrammarbeit integriert. Am Ende einer solchen Genogrammarbeit ist der/die Klient/in stark berührt über die Macht der Prägung des eigenen Familiensystems auf das eigene Verhalten und die aktuelle Problematik.
Die Ressourcenorientierung Ist die klassische Genogrammarbeit abgeschlossen, werden in einer weiteren Coachingstunde die Ressourcen des Familiensystems bzw. der einzelnen Protagonisten herausgearbeitet. Dies führt zu einer positiven Selbstwahrnehmung und löst einen Motivationsschub zur Selbstentwicklung aus. Dazu wird das am Flipchart erstellte Genogramm mittig an eine Pinwand geheftet. Zu jedem Familienmit-glied werden die persönlichen Stärken und Kernkompetenzen auf eine Moderationskarte geschrieben. Erfahrungsgemäß werden drei bis fünf Punkte benannt. Manchmal werden für eine Person auch zwei Karten benötigt. Es gilt das Prinzip, dass alle Menschen, auch solche Personen, die dem System oder dem/der Klienten/Klientin Schaden zugefügt haben, über individuelle Kompetenzen verfügen. Die beschriebenen Moderationskarten werden um das Genogramm herum in der Nähe der jeweiligen Systemmitglieder angepinnt. Um das Genogramm entsteht ein Rahmen gefüllt mit den Stärken des Systems. Die Klienten sind von der Visualisierung ihrer familiären Ressourcen tief beeindruckt. Die positive Stärkung löst einen Motivationsschub aus, sich von ungünstigen Mustern abzuwenden und zielführende Verhaltensweisen zu entwickeln.
Quellen/Weiterführende Literatur: McGoldrick, M. & Gerson, R. (1990): Genogramme in der Familienberatung. Bern: Verlag Hans Huber Hildenbrand, B. (2005): Einführung in die Genogrammarbeit. Heidelberg: Carl-Auer Verlag Hildenbrand, B. (1999): Rekonstruktive Familienforschung. Wiesbaden: VS Verlag
Bild Mr Cup / Fabien Barral @unsplash.com