Es ist allgemein anerkannt, dass sich Sport und Bewegung positiv auf unsere Gesundheit auswirken. Wie schaut es mit der Beweglichkeit unseres Gehirns aus? Gehirnjogging ist in aller Munde. Kann man tatsächlich mit einem gezielten Training dem Gehirn auf die Sprünge helfen? Die Meinungen gehen auseinander.
Gemäss aktuellen Forschungsergebnissen erreicht das Gehirn mit 16 bis 25 Jahren seine höchste Auffassungsgabe und Leistungsfähigkeit. Im Umkehrschluss könnte man dieses Resultat nun so interpretieren, dass danach der geistige Abbau beginnt. Das stimmt so nicht. Man muss differenzieren: ab dem Alter von ca. 25 Jahren nimmt die fluide Intelligenz ab. Diese ist für die Bewältigung von Aufgaben zuständig, bei denen es insbesondere um Schnelligkeit und Problemlösung geht.
Das begriffliche Wissen kann weiterhin gefüllt werden
Die kristalline Intelligenz bleibt hingegen stabil. Diese zweite Form unserer Intelligenz steht für unser begriffliches Wissen und ergibt sich aus den Lernprozessen im Laufe unseres Lebens. Erhebliche Bestandteile dieser Intelligenz sind Allgemeinbildung und unser Schulwissen. Es wird zeitlebens gefüllt mit Erfahrungen, Erinnerungen, Wissensaneignung und dem Durchlaufen von Lernprozessen. Schwächen im kognitiv-mentalen Bereich können wir leicht durch Erfahrung und Klugheit ausgleichen. Je mehr Erfahrungen wir sammeln, desto leichter kann unser Gehirn für uns günstige Entscheidungen treffen.
Was Hänschen nicht lernt, kann Hans lernen!
Früher dachte man, das Gehirn sei unveränderlich und seine Entwicklung nur im Mutterleib möglich. Ab der Geburt seien quasi die Würfel gefallen. Wir wissen heute, dass das nicht stimmt. Moderne bildgebende Verfahren, die Untersuchungen an lebenden Gehirnen ermöglicht haben, zeigen, dass unser Gehirn plastisch ist. Das bedeutet, dass es sich zeitlebens umformen und anpassen kann.
Möglicherweise beruht auf diesem Wissen um die Plastizität unseres Gehirns und der kristallinen Intelligenz die Idee, dass sich unser Hirn wie ein Muskel verhält: Trainiert man es, wird es stärker und leistungsfähiger. Über diese Theorie spalten sich jedoch die Meinungen, ebenso wie über die Wirksamkeit von Gehirntrainings.
Besser erinnern durch Computerspiele
Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen, die regelmässig geistige Übungen ausführen, tatsächlich ihre Hirnleistung verbessern konnten. Wissenschaftler an der Universität Michigan konnten nachweisen, dass sich die Gedächtnisleistung von Kindern anhand eines Videotrainings signifikant steigern liess. Offen blieb jedoch die Frage, ob sich diese Gedächtnisverbesserung nur auf die trainierte Aufgabe bezog oder ob das Videotraining auch andere Gehirnfunktionen verbessern konnte.
Einseitige Verbesserung ausgewählter Funktionen vs. ganzheitliche Steigerung
Scheinbar strahlen diese eher einseitigen Funktionsverbesserungen nicht auch auf andere Areale positiv aus. Bei einer Studie in Cleveland und Malaysia liessen Forscher 93 Studierende Gedächtnistests mit dem Computer durchführen. Das Ergebnis war, dass sie zwar bei den Tests immer besser wurden, aber dies steigerte weder ihre Intelligenz noch eine andere Hirnleistung.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine Studie aus Grossbritannien mit 11.430 Probanden. Hier wurden mit computerbasierten Gehirntrainings das räumliche Orientierungsvermögen sowie das Erinnern von Wörtern trainiert. Beide Gedächtnisleistungen konnten gesteigert werden, jedoch verbesserten sich keine anderen Gehirnleistungen, und auch das generelle Denkvermögen blieb konstant.
Unser Gehirn braucht neue Erfahrungen
Alles, was wir oft und intensiv üben, hinterlässt Spuren im Gehirn. Nicht nur die Nervenzellen oder die Verbindungen dazwischen ändern sich, sogar ganze Hirnareale können umgebaut werden. Wer jedoch ständig die gleichen Aufgaben löst (z.B. Kreuzworträtsel, Sudoku), lernt zwar, diese schneller zu lösen, strengt jedoch sein Gehirn mit der Zeit immer weniger an. Um unser Gehirn agil zu halten und zu stärken, braucht es immer neue Herausforderungen. Das müssen keine (weiteren) schwierigen geistigen Aufgaben sein. Unser Hirn freut sich bereits über Stimulationen, die Routinen durchbrechen, wie z.B. die Zahnbürste mal in die andere Hand zu nehmen oder einen anderen Weg zur Arbeit zu gehen.
Viele Psychologen und Forscher legen daher den Schwerpunkt für mentale Fitness auf Veränderungen im Lebensstil. Es ist bewiesen, welche positive Wirkung körperliche Bewegung und soziale Kontakte neben geistigem Training auf unser Gehirn haben. Tanzen, Musizieren, Vereinstätigkeit oder eine Sprache lernen – all das formt unser Hirn nachhaltig positiv.