Kann gerades Sitzen meine Leistung steigern?
Spannende Experimente aus der Psychologie machen deutlich, wie zum einen der Körper unseren Seelenzustand beeinflusst und wie sich zum anderen unser Geist auf unser Körperverhalten auswirkt.
Wer aufrecht sitzt, hält bei schwierigen Aufgaben länger durch
Eine sehr bekannte Studie stammt aus dem Jahr 1982. Die US-Psychologen John Riskind und Carolyn Gotay baten eine Gruppe von Studenten, Denkaufgaben zu lösen. Unter dem Vorwand, deren Muskelaktivität vor dem Experiment messen zu wollen, ließen sie die eine Hälfte vorher mehrere Minuten lang in gebückter Haltung verharren, die zweite Hälfte musste in aufrechter Haltung stillsitzend auf den Beginn des eigentlichen Experiments warten. Beide Gruppen erhielten danach unlösbare geometrische Puzzles. Die Wissenschaftler stellten fest, dass jene Probanden, die in aufrechter Haltung gesessen hatten, fast doppelt so gut abschnitten wie die Gebeugten. Zudem blieben sie länger motiviert.
Gemäß John Riskind und Carolyn Gotay kann man durch aufrechtes Sitzen nicht nur seine Beharrlichkeit erhöhen, sondern auch bis zu einem gewissen Grad seine Intelligenz steigern, wenn man sich hin und wieder streckt und reckt. Die Körperhaltung beeinflusst also somit nicht nur das Durchhaltevermögen, sondern auch die Kreativität bei der Lösungssuche.
Mehr Risikobereitschaft in bequemen Bürostühlen
In einer anderen Studie gab Adam Galinski (Northwestern University, Illinois) den Testpersonen zwei Dollar und den Hinweis, dass sie diese Summe behalten oder aber per Würfelspiel verlieren oder verdoppeln konnten. Danach musste ein Teil der Gruppe sich in eine in sich gekehrte Körperhaltung zwängen. Die andere Gruppe durfte sich in bequeme Bürosessel setzen und sogar alle Gliedmassen weit von sich strecken. Das Ergebnis: Die expansive Körperhaltung steigerte die Bereitschaft zum riskanten Würfelspiel um 45 Prozent.
Kann die Haltung der Arme über Sympathie mitentscheiden?
In einem Experiment von Jens Förster und Lioba Werth (Universität Würzburg) wurde untersucht, wie sich die Haltung unserer Arme auf unser Verhalten auswirkt. Während der Betrachtung einer fünfminütigen Sequenz aus einer politischen Fernsehdokumentation über die FDP sollten die Teilnehmer entweder den Arm von sich strecken (Armstreckung), ihn beugen (Armbeugung) oder ihn in den Schoß legen (Kontrollgruppe).
Frühere Forschungen zum Body-Feedback hatten gezeigt, dass Armbeugungen mit einem Annäherungsverhalten verbunden werden, also einem „Komm her“. Hingegen werden Armstreckungen mit einem Vermeidungsverhalten assoziiert – „Bloss weg“.
Kann sich so etwas auf unser Urteilsvermögen auswirken?
Ja, kann es! Die Ergebnisse der Studie waren, dass Teilnehmer in der „Komm-her-Haltung“ die FDP als sympathischer beurteilten und sie für kompetenter hielten als die Teilnehmer mit den ausgestreckten Armen.
Heute schon die „Komm-her-Haltung“ geübt?
Seien Sie sich bewusst, dass es auf Ihre Stimmung und geistige Leistungsfähigkeit einen gewaltigen Einfluss hat, in welcher Haltung Sie sich befinden und welchen Spielraum Sie Ihrem Körper zugestehen. Wenn Sie das nächste Mal schon einen halben Tag über einer Aufgabe brüten und nicht weiterkommen: Es gibt zahlreiche Übungen aus dem Yoga, Tai-Chi oder Qigong, mit denen man den ganzen Körper in die „Komm-her-Haltung“ versetzen kann.
Mögen Sie in kleinen Einheiten starten? Oft reicht es schon aus, sich zu recken und zu strecken oder mal aufzustehen, um sich ein Wasser oder einen Tee zu holen. Entwickeln Sie Ihre persönliche Minibewegung, die Sie im Alltag stärkt.
Bilder im Kopf unterstützen die Körperhaltung
Sie wollen eine unerwünschte psychische Verfassung mithilfe des Körpers verhindern? Dann formulieren Sie Ihren Wunsch positiv – nähern Sie sich Ihrem Ziel an. Sagen Sie nicht, was Sie nicht wollen, sondern was Sie erreichen wollen. In welcher Verfassung möchten Sie sein?
Die Bilder, die Sie mit der gewünschten Verfassung verbinden, bringen unterschiedliche Körperhaltungen mit sich. Wollen Sie trotz Gegenwind bei Ihrer Position bleiben? Dann stellen Sie sich zum Beispiel einen Brückenpfeiler vor. Dieses Bild veranlasst Sie vielleicht, Ihren Stand zu stabilisieren und die Füsse fest auf dem Boden zu spüren. Zudem kann man sich in schwierigen Momenten vorstellen, wie der Unrat mit dem Fluss an einem vorbeischwimmt.
Mehr Informationen
Sie möchten mehr darüber erfahren, wie Sie durch gezielte Körperarbeit Ihren Geist beeinflussen können und umgekehrt? Embodiment ist ein Instrument im Zürcher Ressourcen-Modell (ZRM®), das zeigt, wie wir Körper und Bewegung als Ressourcen nutzen können.
Literatur:
Storch, M. (2010): Die Macht des Körpers. Psychologie Heute Compact, 26, S. 59−63.
Storch, M., Cantieni, B., Hüther, G., Tschacher, W. (2010): Embodiment. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. Huber Bern
Bild: JanBaby / Pixabay