Der Wandel ist beständig, es bleibt alles anders - Veränderung gehört zum unternehmerischen Alltag. Changeprozesse werden in der Praxis anhand typischer Strategien gestaltet.
Der Kunde hat Recht. Das ist aus systemischer Sicht eine wichtige Grundhaltung. Zugleich führt es dazu, dass Veränderungsprozesse oftmals aus der inneren Logik einer Organisation initiiert und gestaltet werden. Damit werden dann leider auch die systemischen Fehler wiederholt und echte Evolution findet kaum statt. In der Praxis finden sich folgende vier typischen Veränderungsstrategien:
Wildwuchs
Das Abkupfern gelesener, gehörter oder vormals erlebter Best-Practice-Konzepte führt zu einer eher unabgestimmten, beliebigen und damit konzeptlosen Veränderung. Die Annahme, dass Organisationen grundlegend gleich funktionieren oder es quasi Goldene Lösungen gibt, führt zum Ausblenden von Unterschieden zum eigenen Markt und zur eigenen Identität als Organisation. Gerade bei starker Differenzierung einzelner Unternehmensbereiche, die bis zur inneren Zersplitterung führen können, wachsen Insellösungen mit Idealanspruch besonders wild. Verstärkt werden kann dies durch externe Berater, die ebenfalls mit vermeintlichen Ideallösungen auftauchen. Insgesamt entsteht zwar viel Aktivität, aber eher im Sinne eines Drehens im Kreis. Widersprüche zur eigenen Unternehmenskultur und zum eigenen Markt sorgen für Inkompatibilität von Ansätzen und Widerstand. Die Einmaligkeit einer Organisation und ihrer Außenwelt zu missachten wird meist böse bestraft. Ebenso bestraft wird es, wenn jeder Verantwortungsbereich sich mit hohem Anspruch abgekoppelt vom Rest entwickelt. Also Vorsicht vor Guru-Lösungen und Finger weg von Insel-Guru-Lösungen!
Logik
Der homo oeconomicus entscheidet rational, logisch und vernünftig. Mit den richtigen sachlichen Argumenten sollten Veränderungen also klappen. Wer also die richtigen Experten ausreichend lang analysieren lässt, wird die richtige Lösung geliefert bekommen, die dann ja nur noch umgesetzt werden muss. Es ist wie beim Arzt, der eingehend untersuchen und die richtige Therapie verschreiben soll. Sieht man einmal von der obigen Guru-Warnung ab, liegt der Sachverständige mit seinem Wissensvorsprung sicherlich oftmals genau richtig und präsentiert Lösungen aus einem Guss. Das mag zur schnellen, weil einleuchtenden Umsetzung führen. Zugleich wird übersehen, dass der Mensch nicht auf Knopfdruck funktioniert, unser Verhalten hochgradig emotional und viel weniger rational gesteuert ist, als im erstgenannten Menschenbild angenommen. In Organisationen potenziert sich der Widerstand, wenn Menschen erleben, dass die Lösung kulturell nicht passt, die Fremdlösung übergestülpt wird (und man selbst zum Amateur degradiert wird), praktizierte Handlungsweisen oder Netzwerke plötzlich untauglich scheinen und verändert werden sollen, die Empfehlungen als zu unspezifisch erlebt werden oder einfach die Identifikation mit dem Lösungsweg fehlt. Dann ist für die Schublade gearbeitet worden, da die Lösung niemals leben wird. Vorsicht also vor der grauen Theorie!
Macht
Wer nur genug Macht gebraucht, kommt gut darum herum, die Einstellung von Menschen zu verändern. Statt Dialog, Kreativität und Konsensbildung setzen einzelne oder kleinere Gruppe auf ihre formale oder persönliche Machtlegitimation wie fachliche Überlegenheit, Entscheidungskompetenz, Prestige, Einfluss u. ä. Macht hat Vorteile, wenn schnell entschieden und umgesetzt werden muss. Es hilft, wenn Mächtige sich die richtigen Experten zur Seite holen (die dann aber bestenfalls Erfüllungsgehilfen sind) und Betriebsblindheit vermieden wird. Und Macht hilft, wenn sich Mächtige mit Menschen finden, die sich weigern, ihre Verantwortung zu übernehmen. Dann passen die emotionalen Systeme in der Organisation komplementär zueinander. Allerdings schafft genau dies andere Schwierigkeiten. Statt auf Autonomie auf Abhängigkeit zu setzen, statt auf Vertrauen, Akzeptanz und Einsicht auf Druck, Sanktionen und Kontrolle zu setzen, zerstört die Erneuerungsfähigkeit jeder Organisation. Die Negation der menschlichen Bedürfnisse sorgt zugleich für eine tiefgreifende emotionale Störung einer Organisation, die sich schlimmstenfalls im Aufbau einer Gegenmacht oder Partisanenkämpfen im Alltag zeigen kann. Diktatorische Veränderungen wirken folglich immer nur kurzfristig und mit hohem Daueraufwand. Also Vorsicht vor absolutistischen Verhältnissen!
Entwicklung
Ohne Verantwortungsübernahme der Organisationsmitglieder, bei zu hohem Anspruch oder bei zu geringem Zeitinvest kann jede Entwicklungsstrategie scheitern. Kritiker bemerken zu Recht, dass es ja so anstrengend und langwierig ist, an der Einstellung und Haltung im System zu arbeiten und damit auch noch auf Führungsebenen vorbildlich zu beginnen. Das mag sein. Doch die Verantwortung für Veränderung trägt letztlich die Organisation mit all den Menschen darin. Bei ihnen liegt aber auch die Lösungsfähigkeit, die es zu aktivieren gilt. Ohne eine gemeinsame konstruktive Absicht, ohne ein Zukunfts- oder Zielbild und ohne funktionierende Interaktion wird die kreative Kraft jedoch kaum zu heben sein. Derartige Prozesse sind kaum auf dem Reissbrett zu entwerfen, sondern entwickeln sich rollierend. Organisationsentwickler sind somit Architekten eines Prozesses statt Lösungslieferant. Sie beobachten, spiegeln, regen an, fragen nach, gestalten Räume und Dialog, fokussieren, prüfen und stärken. Sie tragen die Veränderung in den Alltag und geben Zeit. Sie arbeiten an wahrhaftiger Haltungsänderung und sie verstehen eine Organisation als lebendes System. Die Manufaktur für Wachstum versteht sich als Prozessgestaltung eben dieser zuletzt genannten Veränderungsstrategie. Dennoch treffen wir vielfach andere Systemideen an. Für alle Strategien haben wir lebendige Praxisbeispiele vor Augen. Meist gelingt Entwicklung dann, wenn eine der ersten drei Grundstörungen für Veränderung behoben worden sind und unsere Kunden erkennen, welchen Anteil sie sinnvollerweise am Prozess übernehmen - und welchen auch nicht.
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