Den Einfluss der sozialen Akzeptanz bei einem Bewerber sollten Unternehmen und HR-Manager nicht unterschätzen: Geringe Akzeptanz im Recruitingprozesses kann dazu führen, dass potenzielle Bewerber abgeschreckt sind oder Stellenangebote sogar ablehnen.
Der Grund dafür ist, dass ein Bewerber den Rekrutierungsprozess, das Assessment und das Unternehmen inklusive der Vakanz nicht voneinander trennt: Der gesamte Einstellungsprozess inklusive Eignungstest spiegelt für den Bewerber in diesem Moment das gesamte Image des Unternehmens wider. Im weiteren Verlauf kann dies sogar dazu führen, dass der Kandidat seinen Freunden oder Bekannten (= andere potenzielle Bewerber und Talente) vom Unternehmen abrät. Die Einschätzung und das Feedback von ablehnenden oder abgelehnten Kandidaten ist für eine Organisation daher von großer Bedeutung.
Akzeptanz in Assessments: Die Relevanz von nachvollziehbaren Fragen
Bewerber möchten erkennbare Zusammenhänge zwischen einem Bewerbungsprozess, den eigenen Verhaltensweisen und den zukünftigen Arbeitsaufgaben erkennen.
Fragen, die nicht eindeutigen Bezug zu Aufgaben erkenen lassen können leicht zu einem verfälschten Verhalten des Bewerbers führen. Warum? Der Bewerber nimmt die Fragen nicht ernst, fühlt sich nicht angesprochen oder kann keinen Zusammenhang erkennen.
Wer einen eindeutigen Bezug zwischen den Fragen im Test und dem zukünftigen Arbeitsalltag des Bewerbers herstellt, steigert die soziale Akzeptanz. Das kann in der Praxis unterschiedlich aussehen. Eignungsdiagnostische Tests eignen sich gut, um die soziale Akzeptanz im Recruiting zu gewährleisten. Allerdings nur bei Verfahren, die mit den richtigen Items bzw. Fragen arbeiten. Hier ein paar Beispiele aus Online-Assessments und Potenzialanalysen, bei denen ein eindeutiger beruflicher Zusammenhang vorhanden ist:
- In einem Unternehmen sollten alle genau wissen, was von ihnen jeweils erwartet wird.
- Ich arbeite so lange an einer Aufgabe, bis sie zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigt ist.
- Ich halte meinen Schreibtisch immer sauber und ordentlich.
- Ich kann meine Potentiale am besten ausschöpfen, wenn ich zusammen mit anderen arbeite.
- Ich würde den Job wechseln, wenn ich nicht regelmäßig die Gelegenheit bekomme etwas interessantes Neues dazuzulernen.
- Ich kenne die besonderen Stärken/Schwächen meiner Mitarbeiter.
- Ich suche den direkten Vergleich mit anderen.
- Es demotiviert mich, wenn meine Arbeit als selbstverständlich hingenommen wird.
Die Items erfragen Arbeits- und Führungsverhalten, Motivation, Persönlichkeit und Werte. Die Aussagen bilden unterschiedliche Aspekte und Situationen ab, in die sich der Proband leicht in eine berufliche Situation hineinversetzen kann. Er kann sich mit seinem Arbeitsalltag identifizieren und erkennt Situationen wieder. Bei diesen Fragen ist die Nachvollziehbarkeit beim Anwender weitgehend sichergestellt.
Das Konzept der sozialen Akzeptanz nach Schuler
Wie wichtig die Meinung des Bewerbers für Unternehmen sein kann, ist vor allem auf die soziale Akzeptanz (auch soziale Validität) des Psychologen Heinz Schuler (1990) zurückzuführen. Die akademische Theorie ist hier interessant, um die Grundlage zu klären.
Laut des Lexikons der Psychologie sollen eignungsdiagnostische Prozesse als “faire, partnerschaftliche Situationen im Sinne einer gemeinsamen Problemlösung” gestaltet sein. Diese Aussage bezieht sich nicht nur auf Eignungstests oder Assessments, sondern auf das gesamte Auswahlverfahren.
Es wird davon ausgegangen, dass die Akzeptanz des Bewerbers im gesamten Einstellungsprozess durch
- Informationen,
- Partizipation,
- Transparenz und
- Feedback
beeinflusst wird. Was bedeuten diese Faktoren für das HR-Management im Einzelnen?
Informationen
Geben Sie dem Bewerber im Vorwege ausreichend Informationen über die ausgeschriebene Position, das Unternehmen und den Einstellungsprozess:
- Welche Tätigkeiten werden hier erwartet?
- Wie sind die Aufgabenbereiche abgesteckt?
- An wen muss der Kandidat berichten?
- Anhand welcher Parameter wird der Erfolg gemessen?
- Wie ist die Unternehmenskultur, wie der gelebte Führungsstil?
- Welche Weiterbildungsmöglichkeiten im Rahmen der Personalentwicklung gibt es?
- Wie läuft der Bewerbungsprozess ab?
- Inwieweit werden eignungsdiagnostische Instrumente eingesetzt?
Partizipation
Lassen Sie den Bewerber sowie weitere involvierte Stakeholder am gesamten Einstellungsprozess teilhaben
- Bauen Sie keinen Druck beim Bewerber auf, sondern geben Sie ihm jederzeit das Gefühl, in den Einstellungsprozess eingreifen zu können.
- Relevante Stakeholder wie zukünftige Vorgesetzte, Teamleiter oder Teammitglieder können Sie über die Teilnahme an Telefoninterviews oder persönlichen Vorstellungsgesprächen in den Einstellungsprozess eines Bewerbers integrieren.
Transparenz
Sprechen Sie mit dem Bewerber transparent über gesamten Einstellungsprozess - insbesondere dann, wenn dieser eignungsdiagnostische Instrumente beinhaltet.
- Wie läuft der gesamte Einstellungsprozess ab?
- Wie viele weitere Kandidaten sind im Prozess?
- Werden eignungsdiagnostischen Instrumente eingesetzt? Wenn ja, welche?
- Welche Kriterien liegen der Auswertung zugrunde?
- Welche Personen evaluieren den Prozess?
- Inwieweit gibt es einen Zusammenhang zwischen den Aufgaben beziehungsweise Fragen im Eignungstest und den Aufwertungsfaktoren?
Feedback
Ein offenes und ehrliches Feedback ermöglichen eine aufrichtige Kommunikation auf Augenhöhe. Seien Sie deshalb in und nach den einzelnen Prozessschritten beziehungsweise im gesamten Bewerbungsablauf ehrlich und transparent.
- Schildern Sie dem Bewerber Ihre individuellen Wahrnehmungen und Beobachtungen.
- Besprechen Sie das ermittelte Ergebnis des eignungsdiagnostischen Verfahrens.
- Geben Sie Ihr Feedback in einer nachvollziehbaren und professionellen, aber wohlwollenden Form.
Fazit
Die soziale Akzeptanz ist für Unternehmen ein wichtiger und wesentlicher Faktor, um Bewerber für sich zu begeistern und ein zielführendes Employer Branding erfolgreich umzusetzen. Die genannten theoretischen Ansätze zur sozialen Akzeptanz sind mittlerweile in viele HR-Prozesse und HR-Tools integriert. Eignungsdiagnostische Tests, Potenzialanalysen und sonstige Verfahren , die für Auswahl und Recruiting angeboten werden, sollten im Einzelfall und konkret auf die Tauglichkeit Ihrer Itmes im Bezug auf soziale Akzeptanz überprüft werden.
Bild: FangXiaNuo, 2017