Coaching für KFZ-Meister? Ja, warum nicht? Coaching muss doch nicht dem Topmanagement vorbehalten bleiben, dachte sich zum Beispiel die MAN Truck&Bus Deutschland GmbH (MTBD). Sie legte ein Programm auf, welches die Betriebsleiter von morgen schon heute in ihrer Karriere unterstützt. „Gibt’s bei Ihnen auch eine Couch!?“ war die erste Frage eines Jungmeisters auf der Eröffnungsveranstaltung unseres Pilotprojektes im Münchner MAN Center.
„Ja, es gibt 'ne Couch – doch auf der dürfen Sie sitzen, Sie müssen nicht liegen!“ – Befreiendes Gelächter von vier jungen Männern, zwischen 28 und 34 Jahre alt. Sie hatten bislang noch nie mit Coaching, Persönlichkeitsentwicklung oder gar Selbsterfahrung zu tun. Die Vorfreude war groß – die Nervosität aber auch.
In Deutschland gibt es derzeit rund 351 MAN Werkstätten für Nutzfahrzeuge und Busse. Als Trainerin betreue ich seit einigen Jahren dort die Aus- und Weiterbildung von Serviceassistenz und Innendienst zum Thema Kundenorientierung, professionelles Auftreten etc. Ich mag die hemdsärmlige, unverstellte Art der Menschen dort. Deshalb bin ich oft in den Werkstätten unterwegs, schau auf einen Kaffee vorbei, rede mit den Leuten. Und ich tausche mich intensiv mit der Personalentwicklung aus. MAN sucht Führungskräfte-Nachwuchs – wie so viele in der Wirtschaft. Betriebsleiter gehen in Rente, Nachfolger wurde bisher meist der dienstälteste Werkstattmeister. Klingt logisch. Der Werkstattmeister macht seine Arbeit sehr gut, hat ein großes technisches Know-how, versteht es, gute Schichtpläne zu erstellen, und schraubt überdies leidenschaftlich gerne an Lastwagen herum. Soweit, so gut. Was ist mit dem „Rest“? Mit der Freude an der Kommunikation, mit der Lust darauf, Menschen zu führen, sie zu motivieren. Was ist mit dem guten Selbstmanagement und der Work-life-Balance? Wie es scheint, muss ein Betriebsleiter neben technischem Know-how und Erfahrung noch etwas anderes mitbringen. Von einem KFZ-Meister wird heute bei MAN mehr verlangt, als ein „guter Schrauber“ zu sein. Vor allem seine Position an der „Hauptschnittstelle zwischen Kunden und Mitarbeitern“ erfordere entsprechende Kompetenzen, sagt Wolfgang Weiss, Leiter der Personalentwicklung bei der MTBD. „Die Fachkompetenz, letztendlich dokumentiert durch den Meisterbrief, ist nur eine Facette des Anforderungsprofils. Die andere Facette umfasst ein breites Portfolio von Management-, Führungs- und Kommunikationsfertigkeiten.“ Deren Entwicklung brauche Zeit, wenn sie tief und nachhaltig sein soll. Deshalb startete MAN das Projekt Meister-Coaching, Wolfgang Weiss versteht dies als Ansatz der strategischen Personalentwicklung. Die Ausbildung auf der Meisterschule bietet nicht allzu viel Raum für Persönlichkeitsentwicklung. Dort stehen andere Themen im Mittelpunkt: Kalkulation, Arbeitsrecht, Rechnungsstellung, Diagnose oder Lehrlings-Ausbildung. Die Basics von Kommunikation werden womöglich gestreift, wie das Eisberg-Modell oder Grundlagen der Transaktionsanalyse. Mehr nicht. Einer der vier Jungmeister sagt: „Ich bin jetzt Chef von einem Mechaniker, der 54 Jahre alt ist und bei dem ich Lehrjunge war vor über zehn Jahren – das ist wirklich schwierig. Ich soll sagen, wo es lang geht, Anweisungen geben und auch mal auf den Tisch hauen – irgendwie hab ich da noch Hemmungen.“ So geht es auch seinen jungen Kollegen. Alle vier waren sie zuvor Mechaniker und Elektroniker in der Werkstatt – nun sind sie Vorgesetzte. Auf ihnen ruhen viele Hoffnungen für die Zukunft der MAN Werkstätten.
Je früher sie ihr Handwerk lernen, desto besser. Das Programm für sie erstreckt sich über rund zehn Monate. Es gibt fachliche Workshops zu Themen wie Serviceberatung am Fahrzeug, Kundenorientierung und Personal. Die Meister lernen unterschiedliche Werkstätten und deren Arbeitsweise kennen. Sie erhalten mehrere zweitägige Workshops rund um die Themen Führung, Motivation, Ziele und Visionen. Dazu kommen Feedback in Mitarbeitergesprächen und kollegiale Fallsupervision für „schwierige Fälle“ auf Kunden- bzw. Mitarbeiterseite. Regelmäßige, intensive Einzelcoachings begleiten das Ganze.
Inzwischen ist das Programm erfolgreich beendet worden. Wie ging es den Jungmeistern mit dem Programm? Zwei von ihnen sind junge Väter, ihre Kinder sind noch kein Jahr alt. Sie spüren deutliche Schwankungen in ihrer Work-Life-Balance: Einerseits haben sie mit dem Meisterposten einen verantwortungsvollen Job, in den sie sich mit voller Kraft und ganzem Ehrgeiz hineinknien wollen. Andererseits bringen sie mehr Überstunden als bisher in eine echte Zwickmühle. Schließlich wollen sie auch die Entwicklung ihres Kindes möglichst hautnah miterleben und ihren Ehepartnerinnen im Alltag zur Seite stehen. Das Coaching ermöglicht es ihnen, sich ihrer Doppelrollen bewusst zu werden und Strategien und Wege finden, besser als bisher damit umzugehen. Kurzfristig und konkret sagen sie öfter auch einmal „Nein“, sie lernen Aufgaben zu delegieren. Sie verstehen es zunehmend besser, ihre Bedürfnisse zu erkennen und mit den Anforderungen ihres Betriebes unter einen Hut zu bringen.
Das Hauptziel ist es, die Männer in ihre Eigenverantwortung und ins Handeln bringen. Sie selbst können, jeder für sich, etwas tun, um die jeweilige Situation zu verändern. Die Meister betreten mit unserer Arbeit ungewohntes Terrain. Solche Art und Sichtweise sind ihnen fremd, doch sie sind auch neugierig und wollen Neues auszuprobieren. Es geht ihnen – typisch Mann – um die Lösung eines Problems! Und wenn ein anderer Weg erfolgsversprechender ist als der bisherige, sind sie offen und bereit, ihn zu testen. Es ist gewissermaßen ein Programm zur Vorbeugung von kaputten Ehen, Herzinfarkt, Burnout und innerer Kündigung. Die vier jungen Männer sind sich der „Ehre“ durchaus bewusst, als Meister für dieses Personalentwicklungs-Programm ausgewählt worden zu sein. Und inzwischen sind sie, wie es einer von ihnen formulierte, „heiss auf Weiterentwicklung und Einblick in diese Psychothemen“.
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