Wieso sind wir ständig so betriebsam?
In Afrika gibt es das Sprichwort: „Ihr Europäer habt Uhren, wir haben die Zeit.” Das olympische Credo „schneller, weiter, höher” bestimmt mittlerweile selbst die banalsten Bereiche unseres Alltags. Wie kommt das? Und wieso ist „gepflegte Langeweile“ wichtig für unsere Selbstbestimmung?
Vielleicht haben Sie am Montagmorgen schon einmal Ähnliches gehört: „Was für ein sonniges Wochenende! Jede Minute haben wir genutzt: Freitag Open-Air-Kino, Samstag Grillen mit Freunden, und gestern gab es eine Wanderung in den Bergen. Fünfundzwanzig Kilometer haben wir geschafft! Und, was hast du gemacht?” Wer traut sich da noch zuzugeben, nichts gemacht zu haben? Die meisten füllen da lieber ihr Nichtstun mit einer beschaulichen Tätigkeit: „Ich habe ausgiebig gefrühstückt und dann in der Hängematte einen spannenden Thriller gelesen.” Klingt irgendwie besser als: „Ich habe nichts gemacht.“ Wieso eigentlich? Wieso ist es den meisten Menschen ein Grundbedürfnis, als handelnder Mensch in der Welt zu stehen?
Es scheint, dass es uns ein grosses Bedürfnis ist, gebraucht zu werden und nützlich zu sein. Hinzu kommt das noch tiefer sitzende Bedürfnis, dazuzugehören und Teil eines grossen Ganzen zu sein. Sowohl im Beruf als auch in der Freizeit setzen wir uns daher oft einem ständigen Druck an Produktivität aus. Pausen müssen effektiv überbrückt und unsere Freizeit aktiv und sinnvoll genutzt werden. Bloss keine Langeweile aufkommen lassen!
Es gibt ein bekanntes Experiment von Timothy Wilson, einem US-Sozialpsychologen. In seinem Versuch mussten sich Teilnehmer in ein Wartezimmer setzen und dort auf „unbestimmte Zeit“ warten (es waren maximal 15 Minuten). Bevor sie in das Zimmer gingen, mussten sie alle Ablenkungsmöglichkeiten abgeben, also Lesestoff, Handys, Tablets etc. Die einzige Möglichkeit, sich im Wartezimmer abzulenken, bestand aus einem Apparat, durch den man sich schmerzhafte Stromstösse verabreichen konnte. Unglaublich, aber wahr: der Grossteil der Versuchsteilnehmer unterzog sich einer persönlichen Folter! 67 Prozent der männlichen und 25 Prozent der weiblichen Teilnehmer gaben sich während des 15-minütigen Versuchs aus freien Stücken mindestens einen Elektroschock, meistens mehr. Spitzenreiter war ein Mann, der sich 190 Elektroschocks verabreichte!
Wieso mögen wir Langweile so wenig? Dabei wissen wir alle, wie wichtig Ruhephasen sind, Momente des Nichtstuns. Das bestätigen uns Wissenschaftler aller Sparten. Pausen zu vernachlässigen führt zu Stress und Rastlosigkeit. Chronische Geschäftigkeit wirkt schädigend auf unser Herz-Kreislauf-System, auf das Immunsystem, auf Hormonhaushalt und Fettverbrennung.
Langeweile und Müssiggang können zu mehr Selbstwirksamkeit führen
Langeweile und Müssiggang können uns lehren herauszufinden, wer wir sind und was wir wollen. Nichts zu tun und von nichts stimuliert zu werden, kurzum: sich zu langweilen, birgt eine Chance: die Konfrontation mit uns selbst. Allein die Reflexion, wieso man sich gerade langweilt und was langweilt, kann erhellend sein. Diese Selbstdiagnose bietet eine Chance herauszufinden, was man braucht und was einem wichtig ist.
Es gibt ausreichend wissenschaftliche Befunde, die nachweisen, dass Phasen von Müssiggang erholsame und kreative Zeiten für unser Gehirn sind. Wer hat noch nie die Lösung eines schwierigen Problems bei einem Spaziergang gefunden, während er vor sich hinträumte und dem Vogelgezwitscher lauschte? Indem wir uns nicht der ständigen Reizüberflutung hingeben, haben wir die Möglichkeit, die vielen Informationen und Impulse zu verarbeiten, die auf uns niederprasseln. Man kann in diesen Momenten des Nichtstuns nachsinnen, wo man Lücken spürt und was einem guttut. Kurzum, darüber nachdenken, was man will – wirklich will.
Kennen Sie immer Ihre wahre Handlungsmotivation?
Herauszufinden, was man wirklich will, lohnt sich. Es vergrössert den eigenen Handlungsspielraum. Es ist befreiend, die wahre Motivation für einen Wunsch zu kennen, denn die kann verschleiert daherkommen. Ein Beispiel: „Ich wünsche mir mehr Ruhe“ – das hört man immer mal wieder, nicht wahr? Wie schnell stimmt man dieser Aussage mit einem Kopfnicken zu. Aber weiss man, was damit genau gemeint ist? Ist „mehr Ruhe“ die Abwesenheit von Lärm? Oder heisst es, man möchte bei ruhiger Musik meditieren? Ist es der Wunsch nach unserem „biologischen Ruhezustand“ – also nach Schlaf? Oder will man in Ruhe gelassen werden – wenigstens eine Stunde nur für mich? Aber könnte diese Stunde nur für mich auch bedeuten, dass ich in aller Ruhe zu einem Heavy-Metal-Konzert will?
Herausfinden, was ich will
Es gibt verschiedene Möglichkeiten herauszufinden, was man möchte. Eine ist, wie oben beschrieben, in Ruhephasen für Selbstreflexion offen zu sein. Oftmals bleibt man hier jedoch an einem Punkt hängen: wenn es darum geht, die unbewussten Bedürfnisse zu erkennen und in die Entwicklung von Zielen einzubeziehen. Hier können Gespräche und Coachings zu einem 360-Grad-Blick rund um die eigenen Wünsche und Ziele helfen. Im ZRM® nutzt man zwei Techniken (Bildwahlverfahren und Wunschelemente-Technik), deren Ursprung aus der Psychoanalyse stammt, um die unbewussten Bedürfnisse zu erkennen. Zudem bieten Persönlichkeits- und Standortanalysen professionelle Unterstützung.