16.000 Begriffe beschreiben die Persönlichkeit des Menschen: Fähigkeiten, Eigenschaften, Kompetenzen, Werte, Motive, Intelligenz. Die Fragebögen, die in der Eignungsdiagnostik verwendet werden, konzentrieren sich häufig auf einige wenige Aspekte in dieser riesigen Datenmenge und beschreiben den Menschen hauptsächlich in Bezug zu den Tätigkeiten, die innerhalb der Aufgabe und der Organisation von ihm gefordert werden.
Diagnostik ist ein erster Schritt hin zu einem Dialog zwischen Menschen, die zusammen arbeiten wollen und passt deshalb perfekt zum New Work. Diagnostik setzt da an, wo New Work die meisten Veränderungen fordert und ermöglicht: an der Persönlichkeit der Menschen. Es gibt 7 Gründe, warum.
Digitalisierung, Automatisierung und neue Technologien werden dazu führen, dass sich Arbeitsplätze verändern oder wegfallen. Neue Denkweisen und Führungsprinzipien ziehen in die Unternehmen ein – massive Prozess- und Kulturveränderungen sind die Folge. Durch New Work ändern sich die Organisationen und die Zusammenarbeit, die Tätigkeiten und Anforderungen an die Beschäftigten und letztlich die Einstellung und die Haltung der Menschen selbst. Denn es sind fundamental andere Skills erforderlich, um den Wandel erfolgreich zu gestalten.
Verschiedene eignungsdiagnostische Testverfahren erfassen bereits die neuen Skills, die im New Work so wichtig werden und liefern für die neue Art der Zusammenarbeit die richtigen Skill Sets.
1. Diagnostik startet in der Jobbörse
Zwei von fünf Bewerbern brechen den Bewerbungsprozess ab. Gründe dafür sind zu komplizierte Bewerbungsverfahren wie zum Beispiel dem Upload von zu vielen verschiedenen Dokumenten, fehlende Wertschätzung oder unangenehme Assessment-Center-Verfahren. Digitale Auswahltests werden in den nächsten Jahren immer häufiger genutzt werden – eine aktuelle Studie von McKinsey geht von einer Steigerung um 82% aus. In Zukunft wird dementsprechend jedes dritte Unternehmen digitale Instrumente nutzen, um bei Bewerbern automatisiert persönliche Skills und Fähigkeiten zu testen und Bewerbungsgespräche online zu führen. Immer mehr Anbieter von diagnostischen Tools verzahnen ihre Produkte mit Bewerbermanagementsystemen, so dass die qualitative Vor-Auswahl direkt auf der Karrierehomepage des Unternehmens oder sogar in der Jobbörse beginnt.
Je stärker der Anforderungsbezug in den Fragebögen zur Vorauswahl, umso stärker die Akzeptanz seitens der Bewerber, die Fragen zu beantworten. Bewerber halten durchschnittlich 42 Minuten für eine Bewerbung für angemessen – das entspricht der Dauer eines modernen Fragenbogensystems. Bewerber sind offen für neue Methoden, die es Dank vieler innovativer Technologien mittlerweile ja auch gibt – sie müssen nur noch von HR genutzt werden.
2.Ellenbogentaktik war gestern - aus Führung wird Dienen
Forschungen haben ergeben, dass Zurückhaltung und Bescheidenheit heute wichtigere Skills sind als Durchsetzungsfähigkeit. Die Führungskraft wird zum Coach und muss die Fähigkeit besitzen, Probleme und Konflikte auf Meta-Ebene zu analysieren und mit Kommunikationsstrategien zu verknüpfen.
Die Fähigkeit zu Anpassung sollte hoch ausgeprägt sein. Denn die immer wieder vorhandenen Fliehkräfte in einem Team müssen zu Win Win Situationen eingefangen und kanalisiert werden. Wertschätzung und die stetige Einbeziehung der Teammitglieder sind wichtig. Emotionale Kompetenz, Selbstreflektion, ein hohes Maß an Engagement und Begeisterungsfähigkeit sind klassische Merkmale in der Eignungsdiagnostik. Vor dem Hintergrund der neuen Anforderungen in New Work bekommen diese Merkmale allerdings ein anderes Gewicht und schlagen stärker zu Buche. Heutzutage machen andere Skills eine ideale Führungskraft aus als gestern.
3. Engagement fördern und fordern
Die Stimmung unter den Arbeitnehmern in Deutschland ist so schlecht wie nie. 35% sind mit Ihrer Arbeit unzufrieden. Das sind 7,9 Prozentpunkte mehr als im letzten Jahr – in keinem anderen Land der Welt ist die Jobzufriedenheit im vergangenen Jahr so stark gefallen – ein Grund mehr für drastische Umgestaltungen. Der Fokus auf Werte und die innere Haltung, wie es in New Work stattfindet, kann hier zu Verbesserungen führen. Der Mensch wird an die erste Stelle gestellt. Hierarchien sind nicht mehr so wichtig, jeder einzelne im Team zählt und agiert selbstständig, verwirklicht sich selbst und ist gleichzeitig Teilhaber an der Gemeinschaft. Hier ist die diagnostische Frage: Wie passen Mensch und Unternehmen zusammen und wie gestaltet sich der Cultural Fit? Wertesysteme gibt es in der Diagnostik schon lange, neuere Tools berücksichtigen den Wertewandel und haben entsprechende Items integriert. Testverfahren messen neben Loyalität, Vertrauen und Offenheit beispielsweise die Ich-Orientierung versus Wir-Orientierung sowie das Bedürfnis nach professioneller Distanz versus einem familiären Arbeitsumfeld. Denn für die erfolgreiche Zusammenarbeit in New Work wird ein Teamverständnis diagnostiziert, was sich deutlich von bisherigen unterscheidet.
4. Wer lernt am leichtesten?
In Deutschland sind immerhin potenziell 12 % der Jobs von der Automatisierung betroffen. Wer nicht bereit zur Weiterbildung ist, riskiert seinen Job. HR ist aufgefordert, stellen- und positionsspezifisch Weiterbildungsmaßnahmen anzubieten. Bereits heute stellen Unternehmen ihren Mitarbeitern im Durchschnitt 3,7 Tage für weiterbildende Maßnahmen zur Verfügung. In den nächsten fünf Jahren wird diese Maßnahme auf fünf Tage pro Jahr erhöht. Hier wird der HR Manager zum Laufbahnberater. Lernagilität ist das Stichwort, mit dem Talente heute große Sprünge in ihrer Entwicklung machen. Denn die fachliche Qualifikation ändert sich so schnell, dass sie nicht mehr viel wert ist. Wichtiger ist es, Skills wie Lernagiliät und Eigeninitiative zu besitzen, um sich neue fachliche Fähigkeiten schnell und selbstständig aneignen zu können. Personen, die bei der Lernagilität hoch punkten, lernen schneller und mehr aus neuen Situationen. Um Talente optimal auf Ihre neuen Rollen oder Tätigkeiten vorbereiten zu können, kann der HR- Manager diese Skills in der datengestützen Diagnostik nutzen, um den Bedarf automatisiert zu erfassen.
5. Das digitale Mindset
Das digitale Mindset ist für den Erfolg von Transformationsprozessen von zentraler Bedeutung. Ein speziell dafür entwickelter Test erfasst die Ausprägung von digitaler Kompetenz in sechs Dimensionen. Es gibt keine richtigen oder falschen Ergebnisse, sondern nur Ausprägungen, die im Vergleich mit anderen Personen stärker oder schwächer vorliegen und in bestimmten Handlungssituationen eher mehr und in anderen Handlungssituationen eher weniger nützlich und erfolgsversprechend sind. Gemessen wird beispielsweise die Ausprägung der technischen Affinität, der Umgang mit Scheitern, das Ausprobieren von Neuem, sowie Offenheit für Technologien und für digitale Veränderungen. Auch Innovationsorientierung und die Bereitschaft zu disruptivem Denken und offensivem Handeln sind Merkmale, die ein digitales Mindset beschreiben und die neue Form der Zusammenarbeit in New Work zielführend unterstützen.
6. Das Menschliche mit Daten kombinieren
Die massiven Digitalisierungsbestrebungen der Unternehmen begünstigen Online-Tests. Schon heute nutzt jedes siebente der befragten Unternehmen digitale Instrumente, um geeignete Fachkräfte zu finden; Tendenz steigend. Jedes dritte Unternehmen gibt an, innerhalb der nächsten fünf Jahre digitale Plattformen nutzen zu wollen, um Bewerberprofile automatisiert auf vorhandene Fähigkeiten zu analysieren. Es steckt enormes Potenzial in der Nutzung von Algorythmen – nicht nur für Recruiting, sondern auch für die Personalentwicklung. Der HR Bereich bekommt die Chance, Personalentscheidungen und Entwicklungsmaßnahmen datengestützt zu steuern. Diagnostik generiert Daten und ermöglicht es, Korrelationen zu Berufserfolg messbar und planbar zu gestalten. Die Instrumente sind für den datengetriebenen Aufbau aussagekräftiger People Analytics-Systeme unerlässlich. Big Data ermöglicht die optimale Zuordnung eines Mitarbeiters zu einer Stelle. Die Auswertung der Daten von Beschäftigten wie z.B. Weiterbildung, Interessen, Fähigkeiten mit anderen internen und externen Daten kann eine Unter- und Überforderung vermeiden und Mitarbeiter passend positionieren.
7. Diagnostik als digitales Spiel
Das Bewusstsein für den Bewerbermarkt ist eine neue Haltung und Teil des New Work. Was kaum einer vermutet - Diagnostik liefert auch für das Employer Branding Lösungen und Ideen. Zum Beispiel individuell aufbereitete Stellenanzeigen, die den fachlichen und persönlichen Fragebögen direkt vorgeschaltet sind und die Anzahl interessierter Bewerber teils um 100 % erhöhen. Oder hybride Lösungen, die Coaching Bedarf aus der Analyse ableiten und anschließend Lerninhalte individuell begleiten. Bereits bekannt ist das Thema Gamification: ein spielerisches Erkunden des Unternehmens oder Berufsorientierungsspiele. Hier ist die Grundlage beispielsweise ein klassisches Online-Assessments für verschiedene Aspekte kognitiver Leistungsfähigkeit, die für eine Ausbildung oder ein Duales Studium von Bedeutung sind. Darunter fallen zum Beispiel Tests zur Leistungsfähigkeit, Sprachkenntnissen oder mechanisch-technischem Verständnis - je nach Berufsbild - verpackt als Online-Spiel, so dass hier die Diagnostik mit modernen digitalen Elementen kombiniert die Anzahl geeigneter Bewerber erhöht. Das funktioniert nicht nur bei der Zielgruppe der Auszubildenden. Gamification-Elemente sind generell ein beliebtes Vehikel zur Übermittlung von Employer Branding Aspekten im Recruiting, da sich gleichzeitig auf spielerische Art die persönliche Qualifikationen testen lässt.
Der Artikel ist erschienen in der Juni Ausgabe der HR Performance www.hrperformance-online.de