Recruiting ist ein ernstes Thema - gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist gutes Recruting ein wichtiger Baustein für erfolgreiche entwicklungsfähige Unternehmen. Die Herausforderung für Firmen ist es, geeignete Verfahren und Anbieter zu finden, denn der Markt ist groß und unübersichtlich. Seit geraumer Zeit entstehen ständig neue Ansätze und Verfahren im Recruiting und in der Eignungsdiagnostik - auch unwissenschaftliche Verfahren.
Nun hat die Diskussion um die Seriösität der Angebote im Markt eine neue Eskalationsstufe erreicht. Ein neues "Wunder-Tool" fernab jeglicher wissenschaftlichen Methodik verspricht die aktuell breit diskutierte, selbsternannte Profilerin Suzanne Grieger-Langer. Sie will nach eigenen Angaben den psychogenetischen Code, oder auch die Psycho-DNA, einer Person entschlüsselt haben und mit Hilfe dessen jegliches Wissen über die Persönlichkeit und Eignungen einer Person in Erfahrung bringen können. Und damit nicht genug - "Wunder-Recruiterin Grieger-Langer" reichen ein Foto, der Name und das Geburtsdatum eines Bewerbers aus, um dessen Profiling zu erstellen, selbstverständlich völlig vorurteilsfrei und objektiv.
Trotz der augenscheinlichen Absurdität sollte Suzanne Grieger-Langer mit ihren nahezu übersinnlichen Fähigkeiten bei den diesjährigen Social Recruiting Days als Top-Speakerin die Veranstaltung mit ihrem Programm: "Profiling People: Die Macht der Menschenkenntnis" eröffnen. In ihrem Programm teilt sie Menschen plakativ und haltlos in "Poser", "Pfeifen", "Psychopathen" sowie "Performer" ein und verspricht die "Performer" für die Unternehmer herauszupicken. Die HR-Community wehrte sich gegen diese zur Schaustellung von unwissenschaftlichem Arbeiten zu Gunsten von Unterhaltungswert und Selbstvermarktung - mit Erfolg! Das Programm der Social Recruiting Days wurde aufgrund von breiten Protesten abgeändert und Frau Grieger-Langer ist nun nicht mehr länger Key-Note-Speakerin.
Reputation der Personaldiagnostik in Gefahr
Die Anzahl an unseriösen Anbietern, leeren Versprechungen und Unwissenschaftlichkeit in der Personaldiagnostik erschwert die Arbeit von Unternehmen, die bemüht sind, ihren Kunden seriöse und fundierte Tools an die Hand zu geben, welche wissenschaftlichen Kriterien, wie beispielsweise die empirischen Hauptgütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität, erfüllen. Gerade solch öffentlich wirksame Personen wie Suzanne Grieger-Langer, die auf Spiegel online und Focus auch als Profile Expertin betitelt wird und unzählige, namhafte Unternehmen als Kunden in ihren Referenzen angibt, gefährden die Reputation der Personaldiagnostik enorm und erschweren das weitere Etablieren von wissenschaftlichen Methoden für seriöse Anbieter.
Und genau hier liegt die Krux, durch so entstehenden Reputationsschäden der Branche ziehen sich immer mehr seriöse Anbieter vom Markt zurück, oder entwickeln erst gar keine Recruiting-Tools. Der Fortschritt von dringend benötigten, wissenschaftlich fundierten Verfahren droht zu stagnieren, die angewandte universitäre Wissenschaft zieht sich laut Dr. Rüdiger Hossiep von der Universität Bochum bis auf wenige Ausnahmen aus dem Gebiet zurück.
Zur Person Suzanne Grieger-Langer
Über das pseudowissenschaftliche Vorgehen hinaus, muss sich das "Recruiting-Orakel" Suzanne Grieger-Langer zu Recht herbe Kritik an der eigenen Integrität und Glaubwürdigkeit gefallen lassen. Die Journalistin Bärbel Schwertfeger entlarvt die selbsternannte Expertin für Betrugserkennung zunehmend als Hochstaplerin und spricht von einer "bemerkenswerten Dreistigkeit". So behauptet Suzanne Grieger-Langer ein Psychologiestudium absolviert zu haben, obwohl es sich tatsächlich um das Fach Pädagogik handelte. Dem nicht genug, wirbt sie wohl offensichtlich mit falschen Titeln und einem frisierten Lebenslauf.
Profiling-Methode auch juristisch in der Kritik
Das Charakter-Profiling auf der Basis von Datensammlungen, unter anderem auch auf Basis der Nutzung von Plattformen wie Facebook, mit dem Suzanne Grieger-Langer nach eigenen Angaben in einem Interview auf Spiegel-online arbeitet, ist möglicherweise strafbar. Die von Grieger-Langer angewendeten Methoden seien sowohl nach alter als auch nach neuer Datenschutz-Rechtsprechung illegal, so Bärbel Schwertfeger, die aus einem noch nicht rechtskräftigen, aber erstinstanzlichen Urteil zitiert. Das scheint jedoch Quadriga Media, dem Veranstalter der Social Recruiting Days, herzlich gleichgültig zu sein. Hauptsache der Unterhaltungsfaktor ist gegeben - Entertainment lässt Geld nun mal leichter sprudeln als fundierte Fakten.
Hoher Entertainment-Faktor als Begründung für umstrittene Key-Speaker-Schaft Grieger-Langers
Die beiden Veranstalter der Social Recruiting Days Quadriga Media GmbH Berlin und das Magazin Human Resource Manager , welches das offizielle Magazin des Bundesverbandes der Personalmanager (BPM) ist, schienen sich weder an der Unwissenschaftlichkeit noch an der juristischen Kritik an Grieger-Langers Arbeit zu stören. Anfangs war Grieger-Langer sogar als Key-Note-Speakerin der Veranstaltung vorgesehen. Fraglich, wie diese Entscheidung mit dem Selbstbild von BPM als einer "führenden berufsständischen Vereinigung für Personalmanager und Personalverantwortliche aus Unternehmen, Verbänden und anderen Organisationen" zusammenpassen soll, welche zur "Professionalisierung, Qualifizierung und Internationalisierung des Berufsstandes" beitragen möchte.
Auf Nachfragen beim BPM wird der hohe Entertainment-Faktor Grieger-Langers und der Wunsch der Teilnehmer als Begründung ihrer Key-Speaker-Schaft genannt. Weiterhin wird angegeben, dass der wissenschaftliche Faktor ja durch die Abschluss-Keynote von Prof. Dr. Kanning sichergestellt sei. Also Entertainment als Eröffnungsveranstaltung vs. fundierte Wissenschaft zum Abgang?!? Dem Anspruch einer seriösen und qualitativ hochwertigen Veranstaltung kann nicht Rechnung getragen werden, indem seriöse Beiträge hinter Selbstdarstellung und Entertainment gestellt werden. Auch nicht, wenn dies von Mitgliedern gefordert wird. Recruiting darf auf keiner Eben zu einer Unterhaltungsshow oder stumpfem Entertainment verkommen, dafür ist die Lage rund um den Fachkräftemangel für Firmen einfach zu ernst. Die Einladung Grieger-Langers widerspricht zudem dem selbstgewählten Motto der Veranstalter "voneinander lernen zu können" und stößt viele Teilnehmer und Referenten vor den Kopf. Einige der Referenten fürchten zu Recht gar um ihre Reputation.
Nach Kritik aus der breiten Öffentlichkeit der HR-Community, beispielsweise durch Journalistin Bärbel Schwertfeger oder die beiden HR-Blogs personalmarketing2null.de und persoblogger.de sowie ablehnenden Kommentaren seitens HR-Managern auf LinkedIn hat Quadriga mittlerweile reagiert. Suzanne Grieger-Langer tritt nun nicht mehr als Key-Note-Speakerin bei der Eröffnungsveranstaltung der Social Recruiting Days auf. Sie wird sich stattdessen dem Publikum in einer Podiumsdiskussion stellen. Auch der Bundesverband Deutscher Personalmanager ist im aktuellen Programm nicht mehr in seiner geplanten Rolle als Co-Moderator vertreten.
Die Affäre um die Person Suzanne Grieger-Langer macht die prekäre Lage seriöser und um Wissenschaftlichkeit bemühter Recruiting Dienstleister deutlich. Die Erforschung und Bereitstellung empirisch fundierter Recruiting-Tools ist teuer und aufwendig, dabei aber die einzige Möglichkeit, eine seriöse Personaldiagnostik zu gewährleisten und unseriöse Verfahren wie beispielsweise die Psycho-DNA, Graphologie oder die Physiognomie vom Markt zu drängen. Dass dies nicht einfach zu bewerkstelligen sein wird, zeigt der aktuelle Fall. Denn was all diese unseriösen Tools eint, ist ein ihnen nicht absprechbarer Entertainmentfaktor, der Menschen fasziniert und polarisiert. Dabei sollte allen Beteiligten klar sein - Recruiting darf nicht zu kommerzialisierendem Entertainment verkommen.