Was ist gute Führungsarbeit? Der Zeitenwechsel hat begonnen und erfordert neue Antworten auf diese Frage. Sie wird zunehmend häufiger betrachtet und tritt veränderte Diskussionen los. Die Antworten sollten je nach Führungsebene auch anders ausfallen.
Die vergangenen Jahrzehnte waren in Führung sehr geprägt von Effizienz, Zahlen, Prozessen und materiellem Erfolg. Klassische Managementlehre baut in ihren Werkzeugen und Zielrichtungen noch immer darauf auf und so wird oftmals nach diesen Spielregeln geführt. Die reine Maximierungsidee führt zunehmend in die Krise:
- immer mehr Verdichtung an Verantwortung und Information belastet die Leistungserbringer
- die Sinnentleerung von unternehmerischen Strategien zieht immer weniger Young Professionals an
- das reine Profitstreben verprellt den Markt und Kunden fühlen sich immer weniger im Mittelpunkt unternehmerischer Aktivitäten
- die Ansprüche in Belegschaften hinsichtlich materieller Belohnung wachsen proportional zum Verlust von Wertschätzung und Sinn
Das sind akute Probleme in Unternehmenskulturen der Gegenwart
Der Existenzgrund von Unternehmen hat bis heute eine elementare Veränderung erfahren: vom Kundennutzen zum Eigennutz. Wirtschaftliche Interessen sollen und müssen in Unternehmen eine Rolle spielen. Führung und Management wirken daran originär mit. Stimmen Bilanzen und Ertrag nicht, verwirkt ein Unternehmen seine Basis. Effizienz- und Exzellenzstreben sind also per se wertvoll. Die größten Ressourcen verbrennen Unternehmen allerdings mit den o. g. Symptomen an anderer Stelle. Blind- und Fehlleistungen dieser Art werden selten gemessen, bedrohen unternehmerischen Erfolg gleichzeitig langfristig und tiefgreifend. Geht es um den Wandel in den Managerköpfen, sollte zugleich differenziert werden. Je näher sich Führung an der Werkbank des Unternehmens befindet, desto persönlicher ist sie spürbar, desto stärker ist sie aber auch auf die eigentliche Wertschöpfung ausgerichtet. Mensch und Wirtschaft natürlich zu verbinden, ist gerade in dieser Hierarchieebene besondere Aufgabe und Verantwortung. Hier wird Kultur für die Wertschöpfenden spürbar, erlebbar, lebendig - und das tagtäglich. Und hier zeigt sich, welche Prozesse funktionieren, optimiert oder verändert werden müssen. Hier werden Konflikte mit Kunden offensichtlich, Innovationen Nährboden bereitet, strategische Ziele in operatives Tun übersetzt und Kennzahlen im Auge behalten. Das ist ein immenser Anspruch, der einer Verantwortung auf oberster Hierarchieebene gleichgestellt werden sollte.
Im Top-Management der Unternehmen herrscht ein anderer Anspruch
- Strategie zu entwickeln, heißt, den Existenzgrund des Unternehmens für die Zukunft zu beschreiben. Wer den Nutzen für Kunden, die Allgemeinheit, die Belegschaft, die Lieferanten und sonstige Stakeholder benennt, richtet Organisation wirklich aus.
- Wenn Werte definiert sind, gibt es eine Chance, dass alle in ihrer Verantwortung prüfen können, wie effektiv sie arbeiten bzw. wie sehr ihr Verhalten dem gemeinsamen Ziel dient.
- Eine Führungskultur besteht weniger aus den Worten darüber als aus den Taten, die sie im Erleben prägen. Wie selbstverständlich werden Werte wie Vertrauen, Wertschätzung, Respekt, Fairness, Glaubwürdigkeit, Verantwortungsübernahme genannt - sind es im Handeln aber oftmals nicht. Wer Motivation erhalten will, kommt um sie nicht herum, denn es sind Grundbedürfnisse des menschlichen Gehirns. Je höher die Hierarchieebene desto bedeutsamer die Rolle des Hüters, Gestalters und Vorbilds einer solchen Kultur.
- Ein Unternehmen ist ein lebendiges System, das aus oftmals unausgesprochenen oder unbewussten Regeln, Strukturen und mentalen Modellen besteht. Diese im Sinne der Strategie zum Arbeitsthema zu machen, ist die konsequentere Idee von "Humankapital als wichtigste Ressource". Denn es bedeutet, sich ernsthaft um Menschen und deren Interaktion als Kernstruktur jedes Unternehmens zu verstehen.
Verantwortung tragen alle Hierarchieebenen. Und das in unterschiedlicher Form und Intensität in ständiger Veränderung bei hoher Komplexität. Was alle Führungsverantwortlichen dafür benötigen, ist im Kern ein Kompass statt einer Landkarte, eine Einstellung und Haltung statt Methoden und Managementinstrumente - und ganz häufig einfach mal so etwas wie gesunden Menschenverstand oder die Erinnerung an den kategorischen Imperativ Kants.
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