Das Big Five Modell gilt heute als eines der akzeptiertesten Persönlichkeitsmodelle. Das Verfahren wird auf der ganzen Welt verwendet und nicht nur im beruflichen Bereich für die Persönlichkeitsentwicklung eingesetzt. Es ist vielfach überprüft, validiert und entspricht in psychologischen Kreisen einem gängigen Standard, um Persönlichkeit zu erfassen und zu beschreiben. PEATS möchte Ihnen die Inhalte des Big Five Modells im Zusammenhang mit dem Thema Eignungsdiagnostik etwas näher bringen.
Wie das Big Five Modell entstanden ist
In den 1930er Jahren begann die Entwicklung des Big Five mit dem lexikalischen Ansatz (Thurstone, Allport, Odbert). Die grundlegende Idee war, dass alle Persönlichkeitsmerkmale in der Sprache abgebildet sind und dadurch sämtliche Facetten und Unterschiede zwischen Personen im Wörterbuch zu finden sind. Unglaubliche 18.000 Begriffe standen am Anfang auf der Liste der Wissenschaftler, die nach einem bestimmten System, der Faktorenanalyse, in fünf stabile und unterscheidbare Faktoren heruntergebrochen wurden - die Big Five.
Eine Vielzahl von weltweiten Studien belegen weitgehende Kulturstabilität sowie die Richtigkeit und Validität dieses Modells. Die Big Five gelten heute international als das universelle Standardmodell in der Persönlichkeitsforschung und wurden innerhalb der letzten 20 Jahre in wissenschaftlichen Studien weiter erforscht und für die Entwicklung weiterer Persönlichkeitsmodelle verwendet. Aufgrund der Zuverlässigkeit, mit der sich diese fünf Persönlichkeitszüge bei allen Menschen wiederfinden, lassen sich mit diesem Modell individuelle Persönlichkeitsprofile erstellen.
Die Big Five: die Persönlichkeit in fünf Dimensionen
Die Faktoren werden in ihren Extremen beschrieben und sind deshalb nicht eins zu eins auf eine Person übertragbar. Eine genauere Beschreibung zur Wertung und Interpretation der Faktoren erfolgt im weiteren Verlauf. Auch wenn die Merkmale durch die weite Verbreitung etwas unterschiedlich benannt werden, gibt es doch im wesentlichen fünf Faktoren:
- Neurotizismus
- Extraversion
- Offenheit
- Verträglichkeit
- Gewissenhaftigkeit
Neurotizismus
Auch Stabilität genannt. Dieser Faktor beschreibt die Fähigkeit, auf Rückschläge zu reagieren, Stress auszuhalten oder mit äußeren Störungen fertig zu werden.
In einer niedrigen Ausprägung bedeutet dies emotionale Stabilität, Zufriedenheit und Ich-Stärke. Diese Menschen sind belastbar, ruhig und gelassen, lassen sich nicht beeindrucken und wirken meistens locker. Möglicherweise wirken sie manchmal lethargisch, gefühllos oder unsensibel, dabei ruhen sie einfach in sich selbst.
Menschen, die eine hohe Ausprägung in Neurotizismus haben, verhalten sich häufiger ängstlich, nervös, angespannt, traurig, unsicher und verlegen. Diese Empfindungen werden leicht ausgelöst und bleiben länger bestehen. Diese Personen machen sich häufig Sorgen und haben Schwierigkeiten, Stress zu tolerieren. Sie wirken manchmal mutlos oder launisch. Dafür sind sie sehr empfänglich für Störungen oder Probleme: Mit ihrem feinen Radarsystem erhalten sie lange vor vielen anderen Menschen Hinweise auf schwierige Situationen.
Extraversion
Dieser Faktor beschreibt das Bedürfnis nach Aktivität, Geselligkeit und Kontakt.
Hohe Werte lassen darauf schließen, dass der Mensch gern im Team arbeitet oder sich in Gruppen aufhält, empfänglich ist für Anregungen und Aufregungen und sich gern stimulieren lässt. Gemeint ist damit also nicht nur Kontakt zu anderen Menschen, sondern überhaupt alles, was die Sinne anspricht: Stimmengewirr, Licht, Gerüche, Farben, Musik. Diese Menschen gelten oftmals als kontaktfreudig, begeisterungsfähig und lebenslustig.
Introvertierte Personen sind dagegen eher zurückhaltend, lieber allein und unabhängig. Sie können auch sehr aktiv sein, aber weniger in Gesellschaft. Sie arbeiten sehr gut, wenn sie ungestört sind und ihre Ruhe haben. Teilweise wirken sie ernst oder sogar unterkühlt; sie kommunizieren lieber schriftlich als mündlich. Gern verzichten sie darauf, auf einer Bühne zu stehen. Manchmal wirken sie wie Einzelgänger, undurchschaubar oder sogar exzentrisch.
Offenheit
Mit diesem Faktor wird das Interesse und das Ausmaß beschrieben, mit der nach neuen Erfahrungen und Ideen gesucht wird.
Personen mit hoher Offenheit sind fantasievoll und reflektiert. Sie sind in der Lage, ihre positiven und negativen Gefühle deutlich wahrzunehmen und sind an vielen verschiedenen Dingen gleichzeitig interessiert. So gelten sie als wissbegierig, intellektuell, experimentierfreudig und vielseitig interessiert. Man kann von ihnen erwarten, dass sie bestehende Normen kritisch hinterfragen, unabhängig bewerten und neue, unkonventionelle Lösungen entdecken. Sie mögen Veränderungen, lieben es Probleme zu lösen und finden Erkenntnisprozesse sowie die Suche nach Zusammenhängen höchst stimulierend. Sie können dadurch als Motor für Innovationen wirken, aber auch ziellos erscheinen, unstet und nicht fähig, sich auf eine Sache zu konzentrieren.
Personen mit niedrigen Werten im Faktor Offenheit sind die Bewahrer und die Experten der Gesellschaft, sie gehen pragmatisch vor und lieben Routinetätigkeiten. Sie stehen mitten im Leben, geniessen das Hier und Jetzt und haben nichts gegen detaillierte Betrachtungsweisen, im Gegenteil: spezialisiertes Fachwissen und eine klare Zielorientierung sind geschätzte Eigenschaften dieser Menschen. Dadurch arbeiten sie sehr effizient und bewerten emotionale Themen nicht über. Sie wirken unkompliziert und bevorzugen konservative Einstellungen. Diese Ausprägung kann, wenn sie sehr stark ist, zu Engstirnigkeit führen. Von außen betrachtet wirken diese Personen dann oft rigide und eingefahren.
Verträglichkeit
Dieser Faktor beschreibt, ähnlich wie Extraversion, die soziale Interaktion zwischen Menschen. Bei der Verträglichkeit geht es um die Behauptung eigener Interessen versus die Berücksichtigung anderer Interessen.
Ein hoher Wert ist gleichbedeutend mit Altruismus. Diese Menschen haben viel Verständnis für andere, sie sind wohlwollend und zeigen Mitgefühl, sind hilfsbereit und harmoniebedürftig. Kooperation und Vertrauen sind klare Voraussetzungen dieser Menschen. Sie gehen davon aus, dass alle anderen Personen in ihrem Umfeld die gleichen Werte habe wie sie, daher kann es manchmal zu Enttäuschungen kommen. In kritischen Situationen neigen sie dazu, sich eher unterzuordnen und den Prioritäten des anderen mit so viel Verständnis zu begegnen, dass ihre eigenen Vorstellungen zu sehr in den Hintergrund treten.
Personen mit niedrigen Werten im Faktor Verträglichkeit sind im Gegensatz dazu eher egozentrisch und misstrauisch gegenüber den Absichten anderer Menschen. Sie haben mehr Freude am Wettkampf als an der Kooperation und wirken dadurch weniger sozial und freundlich. Sie bewerten Einmischung als Angriff auf ihre Person und vertreten stets ihre eigenen Interessen. Sie haben eher Probleme damit, die anderen nicht abzuhängen oder die Interessen von anderen zu berücksichtigen. Die Fähigkeit, für die eigenen Belange einzustehen und der unbeugsame Wille zum Sieg ist aber auch ein Grund, warum Menschen überleben. Warum es ihnen manchmal gelingt, Lebensumstände nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere zu verbessern oder sich gegen Widerstände aller Art zu behaupten. Unter ihnen finden wir also die Sportler, die Künstler, Unternehmer und Entertainer dieser Gesellschaft.
Gewissenhaftigkeit
Dieser Faktor beschreibt den Grad an Selbstkontrolle, Genauigkeit, Organisationsfähigkeit und Zielstrebigkeit.
Personen mit hohen Werten sind sorgfältig, planen im voraus, übernehmen gern Verantwortung, außerdem sind sie zuverlässig und überlegt. Gewissenhafte Personen sind zielstrebig, ehrgeizig und selbstdiszipliniert, sie arbeiten fokussiert und Schritt für Schritt. Kollegen und Freunde können sich auf sie verlassen, sie teilen ihre Energie schon Wochen vorher ein. Manchmal können sie zwanghaft und stur wirken, besonders dann, wenn sie von anderen Menschen ebenso viel fordern, wie sich selbst abverlangen.
Personen mit niedrigen Werten handeln spontan, flexibel, am liebsten ohne festen Termin und bleiben dabei vollkommen gelassen. Sie sind diejenigen, die gerne Arbeit liegen lassen und nach dem Motto leben: "Morgen ist auch noch ein Tag". Sie können leben und leben lassen und nehmen nichts allzu genau. Dafür sind sie multitaskingfähig, können von einem Moment zum anderen in ein neues Projekt springen oder gleichzeitig mehrere Arbeitsplätze bespielen. Sie interessieren sich eher für den Prozess und die zwischenmenschlichen Komponenten wie Rollenverteilung und Beziehung, wohingegen sie sich ein Ziel in weiter Ferne kaum vorstellen können. Manchmal wirken sie zu unorganisiert, unproduktiv oder ungenau auf ihre Mitmenschen.
Wie ist das Big Five-Modell zu werten?
Die Beschreibungen sind jeweils in ihrem Extrem dargestellt. Um die einzelnen Faktoren wirklich gut zu verstehen, ist es sinnvoll, die jeweiligen Pole zu beschreiben. Die Pole bzw. Extreme sind jedoch selten in diesen einseitigen Ausprägungen zu finden. Oftmals befindet sich der Wert in der Mitte oder in einer leichten Tendenz zu einer der beiden Ausprägungen.
Ein sehr wesentlicher Aspekt für das Verständnis dieses Persönlichkeitsmodells ist, dass beide Seiten jeweils positive und negative Aspekte haben und so gesehen keine der Ausprägungen besser oder wichtiger ist als die andere. Interessant an dieser Typologisierung ist, die Unterschiede zu kennen und sich selbst oder andere Menschen dementsprechend besser verstehen zu können. Besonders im Zusammenhang mit Arbeitsplatzsituationen, Konfliktsituationen oder Leistungsansprüchen kann es sinnvoll sein, die eigenen Ausprägungen in diesem Modell zu kennen.
Machen Sie selbst den Big Five Persönlichkeitstest
Emotionalität, Extraversion/Introversion, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Testen Sie, wie stark diese Eigenschaften bei Ihnen ausgeprägt sind. Es gibt einige Internetseiten, die den Big Five Persönlichkeitstest kostenlos und frei zugänglich zur Verfügung stellen. Die Auswertung sind allerdings nicht sehr umfassend und tiefgründig, Sie bekommen lediglich einige Hinweise. Eine E-Mail Adresse muss nicht immer angegeben werden, manchmal erscheint das Ergebnis sofort.
Verschiedene Tests finden Sie hier:
Bild: Gallyna, 2016