Worin liegt der Unterschied zwischen Kritik und einer Rückmeldung? Kritik kann sowohl negativ als auch positiv sein. Im Alltag sprechen wir im negativen Fall von einer Kritik, im positiven Fall von Lob. Doch wenn wir genauer darüber nachdenken, gibt es beispielsweise sowohl positive als auch negative Film- oder Musikkritiken.
Dabei hat Kritik meist etwas mit einer hierarchischen Situation zu tun oder setzt eine Beziehung voraus: Wenn ich jemanden kritisiere, gehe ich davon aus, dass ich mehr weiß als der andere und damit das Recht habe, mich über ihn zu stellen und zu bewerten. Kinder werden kritisiert. Mitarbeiter werden kritisiert. Kinder werden gelobt. Mitarbeiter ... Dazu später mehr. Sofern mein Gegenüber diese Hierarchie akzeptiert, wird er auch meine Kritik, positiv oder negativ, akzeptieren. Doch was passiert, wenn er diese Hierarchie nicht akzeptiert? Wenn er die Beziehung anders sieht als ich? An dieser Stelle kommen Rückmeldungen ins Spiel. Denn Rückmeldungen sind hierarchieunabhängig. Rückmeldungen sind möglichst sachliche Beschreibungen der eigenen Sichtweise. Sie ermöglichen damit dem Gegenüber eine Außensicht auf seine Tätigkeiten, respektive seine Leistung. Stellen Sie sich vor, sie wären eine Heizung, die sich genau zwischen 21 und 23 Grad einpendeln soll. Wenn Sie von außen ein Lob bekommen wie „Super! Weiter so!“, dann kann Ihnen das schmeicheln. Es wird Ihnen zeigen, dass es gut läuft. Schön, denn ein uneingeschränktes Lob erfahren wir viel zu selten. Denn meist gibt es hier und da eine Kleinigkeit am Rande, die noch verbessert werden kann. Wenn Sie nur ab und an über 23 Grad hinaus heizen oder zu spät Gas geben und damit längere Zeiten unter 21 Grad bleiben, könnten Sie die negative Kritik bekommen:„Pass doch auf!“ Ein wichtiges Signal, hinreichend zur Erklärung, auf was genau Sie aufpassen sollten, ist es jedoch nicht. Was Sie als Heizung brauchen ist die konkrete Rückmeldung, dass es (zu lange) zu kalt oder (zu lange) zu warm ist. Diese Rückmeldungen in Unternehmen zu geben, ist die Aufgabe von Führungskräften.
Wenn wir uns den Aufbau einer Rückmeldung anschauen, ergeben sich folgende Komponenten: klare Erwartungen (des Umfelds, der Führungskraft, des Unternehmens, des Teams), darauf aufbauende kommunizierte Ziele, eine Leistung, um dieses Ziel zu erreichen und ein Ergebnis, das der Erwartung bzw. dem Ziel entspricht oder von diesem abweicht.
Im dritten Baustein dieses Feedback-Zyklus spielt die Absicht des Mitarbeiters eine wichtige Rolle. Sofern die Ziele sauber mit dem Mitarbeiter abgestimmt wurden und die Erreichung der Ziele mit einer zu erbringenden Leistung als möglich und sinnvoll eingeschätzt werden, ist der Mitarbeiter motivational mit im Boot. Er wird nun losziehen und versuchen die gesetzten Ziele mit der eigenen Leistung zu erreichen. Wenn die Ziele nun dennoch nicht erreicht werden, sollte die Führungskraft als lebendes Rückmeldesystem ihre Sicht der Dinge einbringen. Sie sollte rückmelden, was sie beobachtet hat und warum aus ihrer Sicht die Ziele nicht erreicht wurden.
An einem Beispiel: Mitarbeiter X hat sich so akribisch in seine Akten vertieft, dass er statt zehn Akten nur fünf innerhalb eines bestimmten Zeitraums bearbeiten konnte. Der Wille (Baustein 3) war vorhanden, die Ergebnisse (Baustein 5) stimmen jedoch leider nicht mit dem Ziel überein. Die Führungskraft hat wahrgenommen, wie akribisch Mitarbeiter X sich in die Akten einarbeitete und teilt ihm dies so objektiv wie möglich mit. In anderen Fällen ist es eine große Stärke, derart perfektionistisch zu arbeiten. In diesem Fall stand der Perfektionismus dem Ziel und den Erwartungen entgegen. Hier geht es nicht um ein Lob oder die negative Kritik an der Leistung, sondern um die Rückmeldung, dass eine erbrachte Leistung nicht zu einem gesetzten Ziel führte. Die Leistung an sich wird damit nicht kritisiert, so wie auch die Heizung nicht kritisiert wird. Denn in einem kleineren Raum kann es gut sein, dass die Heizung einwandfrei funktioniert. So wie der Perfektionismus in einer anderen Situation wünschenswert ist. Doch der größere Raum erfordert eine schnellere und offensichtlich oberflächlichere Reaktion. Und vielleicht müssen wir uns sogar darüber unterhalten, ob es nicht sinnvoller wäre, den Raum satt 23 auf 24 Grad aufzuheizen und dann wieder abkühlen zu lassen.
Bild @ iStock