Neue Forschungen haben ergeben, dass anhand von Facebook-Likes Vorhersagen über Persönlichkeitsmerkmale einer Person getroffen werden können. Wie viel verrät der Musikgeschmack über die Persönlichkeit und warum funktioniert Musik überhaupt so gut als Unterstützer unserer Stimmungen?
Die Wirkung von Musik auf die Persönlichkeit
Jeder findet was anderes schön, aber allen gemeinsam ist, dass Musik positive Effekte auf das Belohnungssystem hat. Wir mögen das, was uns bekannt ist und was sich wiederholt.
Musik macht etwas mit uns, löst Emotionen aus und verstärkt sie. Musik ist "ein Wirkstoff in der Gestaltung des Selbst, der Veränderung von Stimmung, Energielevel, Verhalten, Aufmerksamkeit und der Auseinandersetzung mit der Welt", so die Kultursoziologin DeNora, die sich bereits 1999 mit der Wirkung von Musik auf die Persönlichkeit beschäftigte. Dabei wird Musik nicht gezielt eingesetzt, um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen, vielmehr geht der Weg anders herum: wir wählen Musik aus, die unserer Stimmungslage entspricht.
Besonders wichtig ist die Musik bei Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren. Hier gilt die Musik als ein Merkmal der Identifikation mit einer bestimmten Gruppe. Selbst bei erwachsenen Menschen ist es häufig so, dass die Frage nach dem Musikgeschmack als wichtiger Indikator für Sympathie genutzt wird. Wenn wir älter werden, ändert sich häufig der Musikgeschmack. Mit den Jahren entsteht mehr Offenheit und es kommen verschiedene neue Einflüsse hinzu, die die Persönlichkeit ausdifferenzieren. Gibt es also einen wissenschaftlich fundierten Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Musikgeschmack?
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Musikgeschmack
Eine 2014 veröffentlichte Studie vom Projektteam Testentwicklung der Ruhr-Universität Bochum untersuchte, inwiefern Persönlichkeit und Musikgeschmack zusammengehören und fand einige interessante Ergebnisse in Bezug auf die Skalen der Big Five. 352 Teilnehmer mit dem durchschnittlichen Alter von 30 Jahren wurden hinsichtlich Ihres Musikgeschmacks in drei Kategorien; Rock, Pop und Metal untersucht.
Ausgangspunkt für die Untersuchung der Ruhr-Universität Bochum war eine Studie aus dem Jahr 2003 in den USA. Dabei wurden Übereinstimmungen zw ischen einer Musikpräferenz mit Ausprägungen der Big-Five-Persönlichkeitsdimensionen untersucht.
Die Studie hat ergeben, dass beispielsweise Rock-Fans als weniger gewissenhaft gelten und Fans von Blues, Klassik und Jazz höhere Werte in Offenheit vorweisen. Pop-Fans sind laut diesen Ergebnissen eher extrovertiert. Eine andere Studie, Mood Management und Musik aus dem Jahr 2005 (Schramm) weist ebenfalls darauf hin, dass es Zusammenhänge zwischen bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und der Auswahl von Musik gibt. Als Grundlage wurde hier auch das Persönlichkeitsmodell Big Five genutzt.
Da die Studie aus den USA stammt und nicht ohne Weiteres auf den deutschen Raum übertragbar ist, hat sich das Team der Ruhr-Universität Bochum um Rüdiger Hossiep aufgemacht, die hiesige Korrelation von Persönlichkeit und Musik-Affinität zu untersuchen. Der Fragebogen, der in dieser Studie zum Einsatz kam, ist der BIP-6F, ein kurzer Persönlichkeitsfragebogen mit 48 Items, der sechs berufsbezogene Faktoren der Persönlichkeit misst.
Ergebnisse: Popper sind extrovertiert , Metaller dominant
Die Fan-Gruppen Rock, Pop und Metal unterscheiden sich in der Skala BIP-6F Disziplin. Pop-Fans haben hier höhere Werte als Rock-Fans. Metal-Fans sind dominanter als Pop-Fans. Die anderen Persönlichkeitsmerkmale aus dem BIP-6F korrelieren weniger deutlich mit dem Musikgeschmack der Befragten.
Weitere Ergebnisse der Studien:
- Menschen mit einem eher ausgeprägten Merkmal Neurotizismus wählen eher traurige Musik aus. Man kann sogar sagen: je labiler die Person, desto eher greift sie zu trauriger Musik, um nachdenken zu können und sich abzureagieren.
- Introvertierte Personen hören eher ruhige Musik und verhindern dadurch ebenfalls Ablenkung.
- Je offener eine Person ist, umso weniger wird sie versuchen, ihre Gefühle zu unterdrücken.
- Extrovertierte Personen dazu neigen, sich abzulenken und das Nachdenken über kritische Gefühlszustände eher vermeiden.
- In fröhlicher Stimmung wird eher lebhafte Musik bevorzugt: 84,7 Prozent der Teilnehmer wählten entsprechende Musik, kein einziger Teilnehmer wählte in dieser Stimmung schwere, ernste oder unruhige Musik. Wozu auch? Wenn alles schön ist, sollte man das genießen.
- In einer traurigen Stimmung wählen allerdings 81,8 Prozent der 79 Studienteilnehmer düstere Musik, um die Stimmungslage zu unterstützen und nur 3,9 Prozent fröhlich-lebhafte Musik. Offensichtlich wird also mit Musik nicht versucht, Stimmungen gezielt in eine andere Richtung zu bewegen, sondern eher, sie zu unterstützen.
Es gibt laut dieser Studie einen Zusammenhang zwischen dem Merkmal "Offenheit für Erfahrungen" aus dem Big Five und der Auseinandersetzung mit Emotionen.
Möglicherweise liegt dies daran, dass offene Menschen ihre Emotionen sehr differenziert wahrnehmen können und die Auseinandersetzung damit als interessante Erfahrung verbuchen. Personen mit hohen Werten in Verträglichkeit wählen bei Trauer verstärkt entspannte und beruhigende Musik. Hier lässt sich vermuten, dass diese Menschen ihre Neigung zur Harmonie damit unterstützen und diese Musik auswählen, um Konflikte zu vermeiden. Wir haben also den Drang, unsere Gefühle auszuleben, uns der Grübelei hinzugeben oder die Freude zu zelebrieren und dieses jeweils durch Musik zu unterstützen.
Neue Studien aus dem Jahr 2018 unterstreichen die Gültigkeit des Zusammenhangs zwischen Musikgeschmack und Persönlichkeit
Eine Forschungsgruppe um Gideon Nave von der University of Pennsylvania hat den Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Musikgeschmack in zwei neuen Studien aus dem Jahr 2018 ebenfalls genauer untersucht (1). Das Besondere an diesen Studien ist, dass die Teilnehmer der Studie nicht selbst nach ihrem Musikgeschmack befragt wurden. Die Forscher nutzten erstmals das soziale Netzwerke Facebook, um mögliche Verzerrungen durch eine direkte Befragung der Studienteilnehmer zu vermeiden. Dadurch sollte eine höhere Allgemeingültigkeit der Studienergebnisse erreicht werden. In beiden Studien wurde die Facebook App MyPersonality verwendet, die es den Nutzern der App ermöglicht, bewusst an psychologischen Studien durch das Ausfüllen eines Persönlichkeitstestes teilzunehmen.
In der ersten Studie wurden die Daten von 22252 MyPersonality Nutzern aus 153 verschiedenen Ländern verwendet. Es wurde dabei untersucht, ob und inwieweit die Reaktionen von Probanden auf ihnen unbekannte Musik, Aussagen über Persönlichkeitsprofile der Teilnehmer zulassen. Den Probanden wurde ein 15 Sekunden langer Ausschnitt eines neuen Musikstückes ohne Angabe des Künstlers oder anderer Informationen vorgespielt. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Voraussage der Persönlichkeitsmerkmale des Big-Five-Modells auf Grund der erfassten Präferenzen von neu gehörter Musik mit dem tatsächlichen Persönlichkeitsprofil der Probanden übereinstimmte (1).
Zusätzlich zeigten die Forscher rund um Gideon Nave, dass zwei der Persönlichkeitsmerkmale des Big-Five Modells unabhängig von demographischen Faktoren und der allgemeinen Beliebtheit, mit zwei bestimmten Musikpräferenzen assoziiert sind. Dabei wurde die Musikpräferenz durch das MUSIC-Modell angegeben, welches die gesamte westliche Musik in wenige große Dimensionen aufteilt und bereits in verschiedenen früheren Studien Anwendung fand (2) (3).
Das MUSIC-Modell beinhaltet die "Milde-Dimension" mit romantischer, langsamer und entspannender Musik, wie beispielsweise R&B oder Soft Rock. Die "Schlichte-Dimension" umfasst unkomplizierte und entspannende Musik, unter anderem vertreten durch Country und Folk. Die "Anspruchsvolle-Dimension" wiederum beschreibt inspirierende, komplexe und dynamische Musik und beinhaltet Musikrichtungen wie etwa Jazz und Klassik. Die "Intensive-Dimension" beschreibt Musik, die laut, aggressiv und verzerrt ist. Hierzu gehören klassischer und alternativer Rock, Punk und Heavy Metall. Die "Zeitgenössische-Dimension" beschreibt elektrische, nicht traurige und rhythmische Musik, mit Musikrichtungen wie Rap, Dance, Latin und Euro Pop Stücken.
Menschen mit dem Merkmal Offenheit bevorzugen nach dieser Studie Musik der "Anspruchsvollen-Dimension" und lehnen Musik der "Milden-Dimension" sowie der "Zeitgenössischen-Dimension" eher ab (1).
Personen, die das Merkmal Extrovertiertheit aufweisen, begeistern sich dagegen für die "Schlichte-Dimension" (1).
In der zweiten Studie untersuchten die Forscher, ob mit Hilfe von Facebook-Likes für Musikkünstlern Aussagen über Persönlichkeitsmerkmale einer Person getroffen werden können. Auch für diese Studie wurden die Daten einer großen Anzahl von MyPersonality Nutzern ausgewertet. Die Forscher fanden heraus, dass anhand der Facebook-Likes eines Probanden tatsächlich eine Vorhersage der Persönlichkeitsmerkmale dieser Person getroffen werden kann. Diese Voraussagen waren dabei sogar genauer, als die Ergebnisse der zuvor untersuchten Reaktionen auf neue, unbekannte Musik (1).
Im Detail war die Prognose durch die Auswertung der Facebook-Likes für die Merkmale Offenheit und Neurotizismus vergleichbar mit einer Einschätzung der Persönlichkeit einer Person durch einen Arbeitskollegen. Diese Werte wurden daher mit 100% bestimmt. Das Merkmal Verträglichkeit erreichte angelehnt an diese Skala noch einen Wert von 55% und das Merkmal Gewissenhaft 77% Genauigkeit, verglichen zu einer Persönlichkeitseinschätzung durch einen Arbeitskollegen.
Anhand dieser Werte kann geschlussfolgert werden, dass eine professionell durchgeführte Analyse der Facebook-Likes durchaus Schlussfolgerungen auf den jeweiligen Persönlichkeitstypus einer Person zulassen. In wie weit und mit welcher Genauigkeit solche Analysen tatsächlich jedoch zutreffen, bleibt offen. Man bedenke nur all die Likes die aus gesellschaftlichem Pflichtbewusstsein, oder gar einem Gruppenzwang vergeben werden, die aber primär mit dem eigenen Geschmack wenig bis gar nichts zu tun haben. Hier benötigt es für die Zukunft weiter entwickelte Tools, um solche Fehlerquellen berücksichtigen und damit minimieren zu können. Nichtsdestotrotz eröffnet diese Arbeit rund um Naves Team neue Aspekte und Wege in der datengestützten Persönlichkeitsanalyse.
Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Musikgeschmack sind intuitiv erfassbar
Eine Studie der britischen Psychologen Peter Jason Rentfrow und Samuel Gosling von der University of Cambridge aus dem Jahr 2011 zeigt, dass Menschen besser über ihren Musikgeschmack eingeschätzt werden als über Fotografien.
Sie ließen 74 amerikanische Studenten ihre zehn beliebtesten zehn Musikstücke aufschreiben. Außerdem erstellen sie von jedem dieser Studenten ein Persönlichkeitsprofil. Die Testpersonen sollten dann anhand der Top 10- Listen die Persönlichkeit einschätzen. Die Tester beurteilten Offenheit, Gewissenhaftigkeit und Extrovertiertheit. Die Ergebnisse stimmten in ihren Urteilen häufig überein und deckte sich außerdem gut mit den von den Forschern erstellten Persönlichkeitsprofilen.
Die Forscher Rentfrow und Gosling schrieben im Fachmagazin „Psychological Science“ dass Menschen „ein intuitives Verständnis der Verbindungen zwischen musikalischen Vorlieben und der Persönlichkeit“ besitzen. Extroversion wird richtigerweise eher energiegeladener, enthusiastischer Gesangsmusik zugeordnet. Jazz-Liebhaber wurden als intellektuell charakterisiert und Country-Musik-Liebhaber seien von anderen Teilnehmern als emotional stabil eingeschätzt worden. Im Ergebnis kann man davon sprechen, dass relativ zuverlässig vom Musikgeschmack eines Menschen auf dessen Persönlichkeit geschlossen werden kann.
Quellen:
(1) Gideon Nave, Juri Minxha, David M. Greenberg, Michal Kosinski, David Stillwell, and Jason Rentfrow. Musical Preferences Predict Personality: Evidence From Active Listening and Facebook Likes. Psychological Science, Vol 29, Issue 7, pp. 1145 - 1158.
(2) Rentfrow, Peter J., Lewis R. Goldberg, and Daniel J. Levitin. 2011. "The Structure of Musical Preferences: A Five-Factor Model." Journal of Personality and Social Psychology 100 (6): 1139-57.
(3) Rentfrow, Peter J., Lewis R. Goldberg, David J. Stillwell, Michal Kosinski, Samuel D. Gosling, and Daniel J. Levitin. 2012. "The Song Remains the Same: A Replication and Extension of the MUSIC Model." Music Perception 30 (2). mp.ucpress.edu: 161-85.
Bild: LaraBelova, 2016