Die besten Talente zu finden und sie an das Unternehmen zu binden, ist wesentlich für den unternehmerischen Erfolg. Doch wie finden und binden Personalverantwortliche diejenigen Kandidaten – auch „Goldfische“ genannt –, die als Jobsuchende gar nicht unterwegs sind oder ihre eigenen Talente nicht so recht einschätzen können?
„Wer heute als Unternehmen die besten Talente an sich binden möchte, darf sich nicht ausschließlich auf die aktiven Bewerber im Pool konzentrieren“, rät Diplom-Psychologe Dr. Achim Preuß, Gründer und Geschäftsführer der internationalen cut-e Gruppe. Eine bewerberzentrierte Personalauswahl mit den Mitteln des Online-Recruitings 2.0, die auch alle Bedürfnisse der vieldiskutierten Generation Y berücksichtigt, ergäbe einen völlig neuen Rekrutierungsansatz und damit neue, langfristige Perspektiven bei der erfolgreichen Suche nach Talenten, meint Dr. Achim Preuß. Weltweit suchen Unternehmen nach den besten Talenten. Doch wie finden sie diese, wenn sie nirgends in Erscheinung getreten sind? Die „Talent Solution 2014“, eine aktuelle Studie des sozialen Internet-Netzwerks LinkedIn, zeigt, dass 85 Prozent der weltweit Befragten grundsätzlich offen für einen Jobwechsel sind. Aber nur 25 Prozent suchen tatsächlich aktiv nach einer neuen Stelle. Mit der hergebrachten Herangehensweise des Online-Recruitings 1.0 durch Personalmarketingmaßnahmen und Stellenausschreibung erreicht ein Unternehmen fast nur Personen, die aktiv und gezielt nach einer Stelle suchen. Der wesentlich größere Pool potenzieller Bewerber bleibt jedoch ungenutzt. War im Web 1.0 nur das passive Konsumieren von Stellenangeboten im Internet möglich, können sich im Web 2.0 die Nutzer aktiv beteiligen. Die Internetseiten haben eine neue Dynamik erhalten. Die Akteure können untereinander über soziale Plattformen wie Facebook, XING und LinkedIn kommunizieren. Dies bietet eine Reihe von Möglichkeiten zum Austausch und zur Kommunikation, Kontakte zu knüpfen oder diese zu festigen. Auch das Ausfüllen eines interessanten Tests oder die Teilnahme an einem Online-Spiel gehören zu den Bestandteilen des Web 2.0. Wie lassen sich eher passive Personen aus einem Talentpool erreichen und aktivieren? Was macht eigentlich ein Talent aus? Wie erkennt der Personaler die Talente, die auf eine offene Stelle passen? Aus den Antworten ergeben sich neue Ansätze für die bewerberzentrierte Personalauswahl: das Online Recruiting 2.0.
Was zeichnet ein Talent aus? Wie lässt es sich erfassen?
Ein Talent gilt als eine überdurchschnittliche Begabung. Talente haben oft eine bestimmte Leistungsvoraussetzung auf einem speziellen Gebiet. Dies können besondere mathematische oder sprachliche Fähigkeiten, aber auch ein ausgesprochenes Maß an Kreativität sein. Für ein Unternehmen gelten diejenigen Personen als ein Talent, die für eine Firma zentrale Schlüsselkompetenzen für die Tätigkeit mitbringen oder diese schneller als andere entwickeln können.
Was zeichnet eine solche Schlüsselkompetenz aus?
Auf der einen Seite stehen bestimmte Eigenschaften einer Person, welche man jedoch nicht sofort sieht. Sie stellen sich in bestimmten Verhaltensweisen dar. Diese wiederum lassen sich zu Kompetenzen bündeln. Kompetenzen sind in diesem Sinne Fähigkeiten, Fertigkeiten, Persönlichkeitseigenschaften und Wissen, die eine Person zur erfolgreichen Lösung von beruflichen Aufgaben gezielt einsetzt. Sie lassen sich mit den Methoden der Psychometrie wie Tests oder Fragebögen messen und erfassen. Auf der anderen Seite stehen die Anforderungen eines Jobs. Auch diese Anforderungen lassen sich wiederum bündeln und zu Kompetenzen zusammenfassen, welche für die erfolgreiche Tätigkeit nötig sind. Die Erfassung erfolgt ebenfalls mit psychometrischen Instrumenten. Schlüsselkompetenzen werden durch ein Zusammenspiel von Anforderungen des Jobs und Voraussetzungen der Person definiert. Als international tätiger Anbieter von webbasierten Tests und Fragebögen für die Personalauswahl entwickelte cut-e das online-basierte Management-Diagnostik-Tool „snap-it“. Hiermit kann ein Personalverantwortlicher online die einzelnen Verhaltensweisen spezifizieren, die für den Erfolg in dem jeweiligen Job erforderlich sind. Über das dort implementierte Expertenwissen werden aus den spezifizierten Verhaltensweisen automatisch die für den Job relevanten Kompetenzen abgeleitet. Somit lässt sich der sogenannte Person-Job-Match automatisch durchführen. Ein hoher Person-Job-Match ergibt sich bei einer hohen Übereinstimmung zwischen den Kompetenzen, die eine Person mitbringt und den Kompetenzen, die eine Stelle erfordert. Je höher der Person-Job-Match, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kandidat die Tätigkeit erfolgreich ausüben wird. Talent zeigt sich also im Zusammenspiel der Eigenschaften einer Person und der Anforderungen eines bestimmten Jobs. Eine Person kennt aber ihr Talent für eine Tätigkeit nur dann, wenn sie schon mit den Anforderungen konfrontiert war. Im Umkehrschluss heißt es, dass die meisten Personen von ihren eigenen Talenten gar nichts wissen, weil sie diese noch nicht unter Beweis stellen konnten.
Verschiedene Online-Job-Matching-Systeme
Zahlreiche Online-Job-Matching-Systeme setzen an diesem Punkt an. Interessierte können hier spielerisch ihre persönlichen Talente und weitgehend anonym ermitteln. Dazu melden sie sich einmalig an und hinterlegen persönliche Daten wie beispielsweise ihre Ausbildung. Dann bearbeiten sie eine Reihe von Tests und Fragebögen und erhalten daraufhin Rückmeldung zu ihren Fähigkeiten und dazu passende Berufsvorschläge. Ein solches System ist beispielsweise der von cut-e entwickelte Staufenbiel Talent Navigator, der sich an Studierende richtet. Weiter ausgebaute Systeme zur Karriereplanung sind Internetseiten wie Mercury Puzzle oder CuVitt.
Job-Matching-Systeme
Sogenannte Job-Matching-Systeme enthalten Daten aus der Arbeitsanalyse, Eignungsdiagnostik und Berufsberatung. Für die Berufe wird definiert, welche Eigenschaften, Fähigkeiten, Fertigkeiten und welches Wissen sie erfordern.
OneClick-Bewerbung
Haben nun Teilnehmer passende Jobvorschläge erhalten, gelangen sie durch einen Klick direkt zu den Online-Bewerbungs-Seiten der ausschreibenden Unternehmen. Das hat insbesondere für weniger bekannte Unternehmen den Vorteil, dass potenzielle Bewerber auf sie aufmerksam werden. Die Bewerber müssen nicht erst mühsam in Jobbörsen nach passenden Stellenangeboten suchen. Insofern wird die Logik der Bewerbung in gewissem Sinne umgekehrt: Es gibt nicht verschiedene Bewerber für eine Stelle, sondern verschiedene Stellen für einen Bewerber. In großen Unternehmen gibt es jedoch oft verschiedene Berufe, die nicht immer einfach zu besetzen sind. Vor diesem Problem stand beispielsweise die Firma Siemens bei der Auswahl von Auszubildenden. Während für die bekannteren Ausbildungsgänge ein Überhang an Bewerbungen einging, herrschte ein Mangel an Bewerbungen in den weniger bekannten Berufen. In Zusammenarbeit mit cut-e entwickelte Siemens den Jobnavigator Jona.
Verbesserte Transparenz und Kommunikation im Recruiting 2.0
Die Bewerbung selbst läuft in bewerberzentrierten Systemen anders ab, als es bisher der Fall war. Zunächst erhält der Teilnehmer Feedback zu seinen Leistungen und zu seinem persönlichen Profil. Das erhöht die Transparenz gegenüber herkömmlichen Bewerbungsprozessen, in denen Teilnehmer meist nie erfahren, wie sie in den Verfahren abgeschnitten haben. Bewerberzentrierte Personalauswahl spart Zeit und Geld. Mit der OneClick-Bewerbung liegen die Daten sofort beim Unternehmen vor. Dort kann dann unmittelbar entschieden werden, ob der Teilnehmer zu einem Gespräch eingeladen wird.
Fazit
Online-Job-Matching-Systeme ersparen beiden Parteien den bisher umständlichen und zeit- sowie kostenintensiven Bewerbungsprozess. Die Bewerber nehmen auch etwas für sich selbst mit, selbst wenn sie sich nicht bewerben oder wenn sie eine Ablehnung erhalten. Darüber hinaus bieten solche Systeme eine Möglichkeit, Talente zu aktivieren, die für das Unternehmen sonst nicht zugänglich wären.
Bild: Trevor Cleveland @unsplash.com