Wir möchten Ihnen zeigen, wie Sie – Schritt für Schritt – zum Anwender eines Personal- oder Eignungstests werden können und was genau Sie hierbei erwartet. Die Anleitung finden Sie in der nachfolgenden Infografik. Weitere Informationen und Details zu den einzelnen Steps finden Sie auf dieser Seiten weiter unten.
Egal ob Sie ein Instrument für einen Auswahlprozess oder ein Personalentwicklungskonzept verwenden möchten – stellen Sie Fragen und sammeln Sie Informationen. Das hilft um Vorstellungen zu konkretisieren. Es hilft, wenn Sie die Fragen in „organisatorisch“ und „ergebnisorientiert“ einteilen. Die Fragen können folgendermaßen lauten:
- Welche Ziele wollen wir erreichen?
- Für welche Zielgruppen suchen Sie einen Personaltest?
- Welches Budget ist vorgesehen?
- Welche Merkmale sollen erfasst werden?
- Haben wir bereits Anforderungsprofile oder Stellenbeschreibungen?
Beraten Sie sich mit Ihren Kollegen, vielleicht gibt es jemanden im Team, der schon Erfahrung mit der Anwendung und den Ergebnissen hat? Sie können eine gute Entscheidung treffen, wenn der gesamte Prozess geplant ist.
2. Begeben Sie sich auf die Suche nach dem perfekten Tool
Das perfekte Tool für Ihre spezielle Zielsetzung wird Ihnen nicht so einfach über den Weg laufen. Das Problem ist der unübersichtliche Markt und viele sehr unterschiedliche Produkte. Zudem gibt es Qualitätsunterschiede, die nicht leicht zu erkennen sind. Vergleichen Sie also erst einmal verschiedene Anbieter und Softwarelösungen. Der PEATS-Toolfinder bietet Ihnen eine ideale erste Möglichkeit, in die verschiedenen Dimensionen der Verfahren vorzudringen und ermöglicht eine Vergleichbarkeit. Mit Filteroptionen nach Zielgruppe oder Einsatzgebiet fischen Sie nicht allzu lange im Dunkeln, sondern erhalten eine bereits sehr viel kleinere Auswahl an potenziellen Tools für Ihr Problem.
Die Suche nach Erfahrungsberichten zu verschiedenen Instrumenten im Internet ist nicht immer erfolgsversprechend und zielführend. Der Grund dafür liegt darin, dass ein Verfahren für ein Unternehmen ideal passen kann, aber für ein anderes leider gar nicht infrage kommt. Bei der Bewertung spielen auch individuelle Vorlieben eine große Rolle – für wen ist es wichtig, dass das Tool differenzierte Anforderungsprofile hinterlegt hat? Wer legt Wert auf eine einfache Handhabung des Tools ohne Zertifizierungsmaßnahmen? Wer entscheidet sich in jedem Fall für das kostengünstigste Verfahren?
Für alle Fälle gilt, dass das Tool bestimmten wissenschaftlichen Kriterien genügen sollte. Dazu mehr in Punkt 4.
3. Begutachten Sie Ihr erstes Rechercheergebnis
Wenn Sie einen ersten Tool-Fundus aus Ihrer Recherche vorweisen können, begutachten Sie Ihre Ergebnisse. Lesen Sie sich durch, was in jedem Tool gemessen wird. Was beinhaltet die Lösung alles? Was gibt es für zusätzliche Optionen wie die Aufbereitung eines Reporting oder eine individuelle, maßgeschneiderte Anpassung an Ihre Ausgangslage? Das betrifft beispielsweise auch die Anforderungsprofile. Hier ist entscheidend, ob Sie selbst gut ausdifferenzierte Stellenbeschreibungen haben oder sogar schon Anforderungsprofile für die einzelnen Positionen.
Was klingt zwar interessant, ist für Ihre Checkliste nicht relevant? Versuchen Sie bei der detaillierten Betrachtung der Tools immer Ihre eingangs festgelegten Fragen und Ergebnisse im Kopf zu behalten, lassen Sie sich nicht von Floskeln oder allgemeingültigen Formulierungen blenden. Versuchen Sie, die Ergebnisse zu priorisieren.
4. Fordern Sie das Manual ein
Vergessen Sie nicht, dass eignungsdiagnostische Lösungen und Personalentwicklungstools mit ihren Fragebögen einen Bezug zur Persönlichkeit oder zum Verhalten der Testperson herstellen und aus den gegebenen Antworten psychologische Schlüsse ziehen. Es ist ein sehr komplexes Konstrukt, das mit einem Online-Assessment entschlüsselt werden soll.
Wenn Sie also ein Verfahren in die engere Auswahl nehmen, fordern Sie in jedem Fall das Manual und zusammenfassende Studien ein. Nur so erfahren Sie, welche wissenschaftlichen Theorien und Berechnungen im Verfahren angewandt werden. Und nur so können Sie sicher sein, dass es sich um eine wissenschaftliche Herangehensweise handelt und die Ergebnisse Ihrer Testperson fundiert ausgewertet werden. Verweigert ein Anbieter Ihnen die Aushändigung der Anleitung, sollten Sie von einem Kauf Abstand nehmen.
Das Testverfahren an sich ist nicht das Einzige, was beachtet werden muss - auch wichtig ist der Prozess. Die Industrienorm DIN 33430 gibt seit Jahren dezidiert Auskunft darüber, wie der Prozess gestaltet sein muss. Orientieren Sie sich an der DIN und fragen Sie den Anbieter, ob der Prozess entsprechend gestaltet ist.
Überprüfen Sie Metaanalysen und lassen Sie sich wenn möglich Validierungsstudien geben. Fragen Sie die Testanbieter ganz konkret, welche Nachweise es dafür gibt, dass die Merkmale seines Tests belastbare Zusammenhänge mit Leistung, Erfolg, Zufriedenheit und anderen berufsrelevanten Faktoren aufweisen.
Leider gibt es bisher wenig Evaluierungsstudien, die Aufschluss über die Korrelation von Assessment-Ergebnis und beruflicher Bewährung geben - das wäre wünschenswert für die Zukunft!
5. Lernen Sie Anbieter und Berater kennen
Kontaktieren Sie die Menschen, die hinter dem Anbieterprofil stecken. Treffen Sie sich mit Anbietern und Beratern und starten Sie einen intensiven Austausch. Es geht hierbei darum, die für Sie wichtigsten Fragen zu klären. Lassen Sie sich von den Spezialisten genauestens das Produkt, die Ausführung und die Auswertung erklären. Je besser Sie das Instrument selbst verstehen, desto leichter fällt Ihnen die Anwendung.
Sie erfahren auch, warum der Einsatz der Verfahren die Objektivität und die Validität im Auswahlprozess erhöht und professionalisiert. Dadurch bekommen Sie die wesentlichen Argumente an die Hand, mit denen Sie im nächsten Schritt Kollegen oder Vorgesetzte überzeugen können.
Überprüfen Sie frühzeitig, ob die Merkmale, die von dem Test gemessen werden, mit den Anforderungen aus Ihren Stellenbeschreibungen übereinstimmen. Treffen Sie am besten jetzt schon die wichtige Entscheidung ob sie eigene differenzierte Anforderungsprofile erstellen wollen oder ob die bereits hinterlegten Profile in den Tools zu Ihren Anforderungen passen. Mehr dazu siehe Punkt 9.
Dieser Schritt ist jedoch nicht nur dafür da, Informationen und Kenntnisse zu sammeln. Geben auch Sie viel von sich preis: Seien Sie ganz ehrlich und teilen Sie mit dem Anbieter und/oder dem Berater, welche genaue Vorstellungen und Absichten Sie mit einem Eignungstest oder einer Motivationsanalyse verfolgen. Hier wieder ein Verweis an Ihre vorher ausgefertigte Checkliste. Was möchten Sie erreichen? Was ist relevant? Was ist irrelevant? Je besser Anbieter und Berater über Ihre Intentionen, Ihre Ziele Bescheid wissen, desto besser können diese Sie bei der Anwendung eines Tools unterstützen.
6. Werden Sie und Ihr Unternehmen selbst zum Testanwender
Lassen Sie Ihre Kandidaten oder Mitarbeiter nicht alleine ins kalte Wasser springen – überzeugen auch Sie sich von einem Auswahlverfahren und testen Sie es.
Nicht immer gibt es kostenlose Testversionen für HR-Manager, Vergünstigungen sind aber durchaus üblich – insbesondere dann, wenn bereits erste persönliche Gespräche stattgefunden haben. Testen Sie 2-3 verschiedene Tools, um sich selbst von der Anwendung und auch ganz konkret von dem Ergebnis zu überzeugen. Zur Durchführung gehört fast immer auch eine Auswertung beziehungsweise ein persönliches Auswertungsgespräch. Sie werden sicher auch spannende Erkenntnisse über sich selbst gewinnen.
So erhalten Sie ein Gefühl dafür, welche Art von Fragen auf den Kandidaten zukommen, wie der genaue Ablauf aussieht und – was sehr wichtig ist: Wie man sich als Teilnehmer eines Eignungstests fühlt. Auf diese Weise können Sie zukünftige Bedenken, Kritik oder andere Reaktionen sehr viel besser nachvollziehen.
Im Idealfall bietet Ihnen der Anbieter des Tools sogar an, dass Sie lokale Validierungsstudien durchführen können - also innerhalb Ihres Betriebes mit einer eigenen Zielgruppe das Verfahren testen und überprüfen. Dabei erfahren Sie auch, wie die Ergebnisse der Verfahren mit den Kennzahlen Ihres Unternehmens zusammenhängen.
7. Leisten Sie Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit
Manchmal gibt es Vorbehalte gegenüber der Eignungsdiagnostik – sowohl im Unternehmen als auch bei Bewerbern. Dies liegt daran, dass sie auf Teilnehmerseite Unsicherheiten auslösen können, auf Unternehmensseite Zweifel an der Validität oder Notwendigkeit.
Nehmen Sie das Zepter in die Hand und versuchen auch Sie nun, das Instrument intern und extern bei allen relevanten Stakeholdern (Vorgesetzter, Belegschaft, Betriebsrat, Datenschutzbeauftragter, Bewerber) vorzustellen und Vertrauen in die eignungsdiagnostische Lösung aufzubauen. Leisten Sie Aufklärungsarbeit. Zeigen Sie auf, wie das Messverfahren funktioniert, wie Sie damit Kosten einsparen, Prozesse verkürzen und Qualität erhöhen können. Beschreiben Sie, worum es bei dem Personaltest geht und auch wo dieser seine Grenzen hat. Dies erhöht die interne Akzeptanz für die Anwendung des Testes.
8. Gehen Sie in die Verhandlung
Wenn Sie sich für ein Tool entschieden haben, geht es für den finalen Schritt in die interne Verhandlung: Wie viel Budget möchten wir investieren?
Selbstverständlich achten Sie darauf, dass sich die Investition für Ihr Unternehmen lohnt. Aber: Bitte sparen Sie nicht am falschen Ende!
Die Praxis zeigt, dass manche Unternehmen mit einem großen strategischen Vision in das Projekt Eignungsdiagnostik starten, sich aber unterm Strich nur für eine kurzfristige Lösung entscheiden. Die Auseinandersetzung mit den Veränderungen im Prozess und den Kosten für das Instrument sorgt manchmal dafür, dass die Strategie plötzlich an Priorität verliert.
Besonders wenn der Punkt “7. Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit” nicht zum erwünschten Erfolg geführt hat, kann es passieren, dass das strategische Ziel aus den Augen gerät. Manche Personalmanager entscheiden sich an der Stelle doch nur für eine abgespeckte, für ihre Zwecke nur partiell geeignete Lösung (Wir probieren das Instrument erst einmal an einem Standort mit zwei Führungskräften).
Machen Sie bitte nicht diesen Fehler. Bleiben Sie bei der langfristigen strategischen Ausrichtung. Es lohnt sich, denn unterm Strich werden Sie Kosten einsparen. Starten Sie eine Berechnung, hier ein paar der wichtigsten Fragen und Stichworte für Ihre Kosteneinsparung:
- Kosten durch Fehlbesetzungen sind extrem hoch. Dies ergab die Studie “Recruiting Trends 2014” der Uni Bamberg.
- Wie viel ist die Time-to-Hire im Besetzungsprozess wert?
- Wie viel ist die Quality-of-Hire im Besetzungsprozess wert?
- Wie viel kostet unsere Fluktuation? Wie viel könnten wir sparen, wenn wir das Tool einsetzen und damit die Fluktuation verringern?
- Wie viel ist es wert, dass wir mit diesem Tool die Mitarbeiterbindung stärken können, weil wir uns für Kandidaten mit dem idealen „Cultural Fit“ entscheiden?
Sie werden feststellen, dass sich die Anwendung einer eignungsdiagnostischen Lösung auf lange Sicht auszahlt.
9. Beginnen Sie mit der praktischen Arbeit
Sie konnten also Ihren Vorgesetzten überzeugen und haben sich nicht für eine verkleinerte Version des Tools entschieden. Dann geht es jetzt los mit der praktischen Arbeit.
Es geht darum, dass Sie genau definieren, was Ihr Unternehmen ausmacht und welche konkreten Anforderungsprofile sie rekrutieren oder entwickeln möchten.
- Was macht das Unternehmen aus? Wie ist unsere Unternehmenskultur?
- Welche Qualifikationen der Mitarbeiter sind für welche Stellen besonders wertvoll?
- Welche fachlichen und persönlichen Anforderungen stellen wir an die Vakanzen?
Im Idealfall nutzen Sie die Methode der “Critical Incidents” bei der Erstellung von Anforderungsprofilen. Mit dieser Methode können Sie systematisch und strukturiert vorgehen.
Das hilft Ihnen dabei, die Anforderungsprofile zu definieren und die Tests zu kalibrieren, später hilft es Ihnen konkret bei der Umsetzung dabei, die Auswertungsergebnisse zu analysieren.
Auf keinen Fall sollten Sie davon ausgehen, dass eine besonders hohe Ausprägungen von Kompetenzen grundsätzlich erstrebenswert ist. Beispielsweise gelten Gewissenhaftigkeit und Intelligenz allgemein als hohe Erfolgsindikatoren. Die Ausprägung dieser Merkmale muss aber in jedem Fall individuell und unternehmensspezifisch, ja sogar stellenspezifisch definiert werden.
Eventuell lassen Sie sich von dem Anbieter zertifizieren und besuchen eine Schulungsmaßnahme, die zwischen einem und (selten) drei Tagen dauert. Dort lernen Sie alles über die Hintergründe und den Einsatz des Verfahrens. Die meisten Schulungen sind sehr anwendungsbezogen, Sie können dort üben, wie Sie Auswertungsgespräche führen und wie die Ergebnisse zu interpretieren und zu kommunizieren sind. Hier ist der Austausch mit den anderen Teilnehmern meist sehr wertvoll und Sie können gute Kontakte zu anderen HR Managern oder auch Beratern knüpfen. Danach legen Sie direkt los, damit sich das erlernte durch die praktische Umsetzung sofort festigen kann.
Es gibt auch viele Anbieter, die Ihnen Testauswertungen ohne Schulungen anbieten können. Nicht in jedem Fall ist eine Zertifizierung notwendig. Darüber hinaus kann diese Expertise auch extern über Berater und Coaches eingekauft werden. Es entscheidet grundsätzlich der Einsatz des Tools über den Umgang und die Vorgehensweise.
10. Stehen Sie den Teilnehmern zur Seite
Kommunizieren Sie die Inhalte und die Anwendung des Tools und geben sie den Teilnehmern ein Briefing – erklären Sie den Ablauf des Verfahrens, benennen Sie Ziel und Zweck des Personaltests. Damit wirken Sie potenzieller Verunsicherung entgegen.
In der Regel bespricht ein mit dem Tool zertifizierter Berater in einem persönlichen Gespräch mit dem Teilnehmer, wie die Ergebnisse zu interpretieren sind und welche Schlüsse die Auswertung ergeben hat. Sollte dies nicht der Fall sein und Sie haben sich selbst zertifiziert, werden Sie nach einem Assessment das Gespräch führen. Die meisten Anbieter erwarten, dass Ihre Tools nur mit einem persönlichen Gespräch an die Probanden ausgeliefert werden. Es gibt hier Ausnahmen, in Auswahlverfahren kommt es manchmal auch vor, dass keine Ergebnisse an die Probanden rückgemeldet werden.
Im Gesprächs ist es gut, wenn Sie offen für Rückmeldungen und Feedback sind– wo gab es Probleme? Welche Teile des Fragebogens waren schwierig zu lösen? Wo hat sich der Teilnehmer unverstanden gefühlt?
Seien Sie sensibel, der Teilnehmer des Assessments eröffnet Ihnen in diesem Moment zahlreiche Persönlichkeitsmerkmale – erinnern Sie sich an Ihre eigene Testteilnahme und das Auswertungsgespräch.
Viel Erfolg!
Übrigens: Wir verstehen den Einsatz von Personalauswahl- und Personalentwicklungsverfahren nicht als Universallösung, sondern sehen Sie lediglich als einen Teil des gesamten Prozesses. Ein Eignungstest ersetzt nicht das persönliche Gespräch mit dem Team oder dem Vorgesetzten.