Wir alle kennen wahrscheinlich den einen oder anderen - in bestimmt jedem Unternehmen gibt es einen Narzissten. Sie sind begeisterungsfähig und motiviert, oft aber auch paranoid und selbstverherrlichend. Inwieweit eignen sich narzisstische Persönlichkeiten in Führungspositionen und wie können Sie Narzissten mit eignungsdiagnostischen Lösungen entlarven.
Ein Narzisst als Führungskraft? Innovation versus Selbstliebe
Produktive Formen des Narzissmus zeichnen sich durch großen Tatendrang, Initiative und visionäre Handlungen aus. Durchsetzungsvermögen, Selbstvertrauen und Begeisterungsfähigkeit sind in einem gesunden Maß sogar Voraussetzung für den Aufstieg auf der Karriereleiter und wesentliche Qualitäten einer Führungskraft. Aber was ist, wenn der Chef unsympathische und irritierende Verhaltensweisen wie Selbstherrlichkeit, Hypochondrie oder Paranoia an den Tag legt? Wenn er das Team wie ein Publikum behandelt oder wenn von zwischenmenschlicher Wärme und freundlichem Miteinander in der Firma überhaupt nicht die Rede sein kann? In dem Fall ist der Tag im Büro eine Qual.
Innovation und Tatendrang: Warum Narzissten manchmal gute Führungskräfte sind
Nicht selten sind es die Narzissten, die in den Unternehmen die Fähigkeit haben, innovative Ideen zu entwickeln und in die Tat umzusetzen, andere zu begeistern und sie zu motivieren.
Sie wirken auf den ersten Blick zwar dominant, aber eben auch sehr engagiert und zuversichtlich. Eine Führungsrolle erscheint daher oft ganz selbstverständlich. Der Narzisst kann durch seine charismatische Art eine besonders starke Identifikation mit der Abteilung oder dem Unternehmen schaffen. Sie haben auch die Fähigkeit, andere Menschen an sich zu binden und sie auf diese Weise für die Durchsetzung der Unternehmensinteressen zu aktivieren.
Narzisstische Attribute in geringer Dosis sind oft sinnvoll, um leichter Entscheidungen zu treffen und Mut zu beweisen. Leichte Formen des Machiavellismus, neben dem Narzissmus eine weitere “Dunkle Triade”, unterstützen das politische Geschick, um eine Idee zu verkaufen. In maßvollen Varianten ist Narzissmus also durchaus erfolgversprechend.
Übersteigerte Selbstliebe: Warum Narzissten manchmal schlechte Führungskräfte sind
Die unstillbare und übersteigerte Selbstliebe eines Narzissten kann für Kollegen und Mitarbeiter unangenehm werden, da der Narzisst sein Umfeld gern für seine Zwecke instrumentalisiert und mit seinem neidischen Charakter die Arbeit von anderen begabten Menschen nicht gelten lässt.
Narzissten schreiben die Erfolge des Teams sich selbst zu: Wenn alles gut läuft, ist es sein Verdienst. Geht etwas schief, sind andere Menschen oder Umstände schuld. Das Interesse kreist dann eben doch eher um den eigenen Erfolg, weshalb sie ihre Mitarbeiter seltener loben oder fördern. Dies hat große negative Auswirkungen auf die Mitarbeiterbindung und die Mitarbeiterzufriedenheit.
Oft verlieren Narzissten den Blick für das Wesentliche und gehen große Risiken ein. Sich nicht durchsetzen zu können, ist in der Führungsetage zwar nicht hilfreich, rücksichtslose Entscheidungen zu treffen, ist im Umkehrschluss aber mindestens genauso schlecht.
Wann Narzissmus im Unternehmen zum Problem werden
Nach der Narzissmus Definition stellt sich die Frage - inwieweit richten Menschen mit narzisstischen Störungen im Unternehmen Schäden an? Fakt ist: Narzissten können für ein Unternehmen zu einem großen Problem werden. Schlüsselpersonen verlassen das Unternehmen, wenn sie durch eine narzisstische Führungskraft in Ihrer Entfaltung gehindert werden. Die Studie der University of Illinois, der University of Nebraska und Hogan Assessment Systems von 2014 weist darauf hin, dass eine Tendenz zum Narzissmus umso häufiger vorkommt, je höher die berufliche Position ist. Andere Studien analysierten die Struktur der Korrespondenz von Führungskräften. Darin wurde die Zahl der Selbstreferenzen ermittelt, also wie stark die eigene Person in den Vordergrund gestellt wird ("ich, ich, ich").
Genau genommen genügt manchmal eine einzige narzisstische Person in der Managementebene, um eine große Abteilung oder einem Unternehmen Schwierigkeiten zu bereiten.
Wenn Entscheidungen weniger faktenbasiert getroffen werden und stattdessen der Eigennutz in den Vordergrund gestellt wird, kann das fatale Auswirkungen haben. Narzissten glauben, dass sie jedes Risiko beherrschen können, sie sind auf kurzfristige Erfolge fixiert und wollen vor allem die eigene Person ins Rampenlicht stellen.
Was den Umgang mit Narzissten so kompliziert macht
Narzissten geht es nicht um Liebe, sondern um Macht. Sie neigen dazu, einen Bezug zu ihrer Umwelt dadurch zu gewinnen, dass sie Macht über sie erlangen. Es fehlt ihnen an Interesse, Einfühlungsvermögen und Bestätigung im Umgang mit ihrer Umwelt. Doch das großartige Selbstbild ist unecht: Oft haben Narzissten starke Stimmungsschwankungen und können Kritik nicht ertragen. Sie fühlen sich bedroht, beziehen alles auf sich und fürchten nichts mehr als die Bloßstellung ihrer eigenen Schwächen. Hinter dem grandiosen Getue verbirgt sich eine besondere Empfindlichkeit und Kränkbarkeit, eine große Furcht vor Demütigung.
Narzisstische Menschen sind unberechenbar, was den Umgang mit ihnen zum Teil sehr erschwert. Hass, Rache-Impulse und die Unfähigkeit, zu verzeihen sind nur einige der unangenehmen Begleiterscheinungen bei einem Streit mit einem Narzissten. Es geht ihnen nicht darum, ein Problem konstruktiv zu lösen oder einen Kompromiss zu finden, der alle Beteiligten zufrieden stellt. In den meisten Fällen möchten Narzissten einfach Recht haben und sich selbst als absolut fehlerfrei darstellen.
Ein Narzisst fühlt sich von einem zwischenmenschlichen Konflikt so sehr bedroht, dass er sich überhaupt nicht darauf einlassen oder damit auseinandersetzen kann. Sein Verhalten bezieht sich wie sonst auch nur auf seine eigene Person. Die Bedürfnisse seines Gegenübers oder die Gerechtigkeit einer Sache sind nicht interessant.
So gehen Sie mit Narzissten um: Narzissten mit Testverfahren entlarven
Es gilt also, den Narzissmus in erster Linie zu identifizieren und ihn zweitens nutzbar zu machen und zu steuern. Mit verschiedenen Verfahren der Eignungsdiagnostik können Sie den Narzissmus entlarven und feststellen, welcher Schweregrad vorliegt. Mit diesem Test können Sie Ihre Ausprägung von Narzissmus kostenfrei messen: https://analysis.narzissmus.zortify.com/index.php/925473?lang=de-informal. Die Daten zeigen, wo ihr Wert im Vergleich zu anderen Altersklassen, zum anderen Geschlecht oder Führungskräften liegt.
Es gibt Tests aus dem klinischen Bereich, die Narzissmus zwar zuverlässig messen können, viele stellen jedoch für die Testpersonen keinen eindeutigen Zusammenhang zu beruflichen Situationen her. Sie fühlen sich von den klinischen Fragen oftmals nicht richtig abgeholt, erkennen keinen Bezug zu ihrer Situation und der Position. Die Akzeptanz für das Verfahren sinkt, die Personen haben wenig Interesse, den Fragebogen korrekt und vollständig auszufüllen. Dies führt dazu, dass das Testergebnis verfälscht wird.
Besser sind an der Stelle Verfahren, die explizit für den beruflichen Zusammenhang konzipiert wurden. Es gibt standardisierte Persönlichkeitsfragebögen, die Persönlichkeitseigenschaften oder Verhaltensweisen abbilden und die Hinweise auf Narzissmus liefern können. Beispielsweise misst ein Verfahren schwache Reaktionsfähigkeit auf die Umwelt und eine gleichzeitig hohe Aktionsneigung, außerdem niedrige Werte bei Empathie und sozialer Motivation und liefert damit Hinweise auf narzisstische Tendenzen.
Ein Verfahren enthält beispielsweise folgende Aussage "Ich könnte dieses Land in die richtige Richtung bewegen". Im Ergebnis sind 70 bis 90 auf der 100 -Punkte-Skala ein Indiz für echte Zuversichtlichkeit. Alles darüber hinaus ist allerdings Arroganz oder ein überhöhter Anspruch.
360°Feedback Systeme können an der Stelle ebenfalls hilfreiche Ergebnisse liefern, da die direkte Umgebung des Narzissten befragt wird. Ein 360-Grad-Feedback befragt Mitarbeiter, Führungskräfte und Kunden nach der Person.
Wenn der Verdacht auf Narzissmus besteht, kann der Arbeitgeber bestimmte Eigenschaften von anderen bewerten lassen. Zum Beispiel können Sie die Risikobereitschaft oder die Art und Weise der Kommunikation erfragen.
Nicht alle Narzissten sind gleich
Es gibt sehr viele verschiedene Formen und Ausprägungen des Narzissmus. Daher können wir auch nicht verallgemeinernd festhalten, dass Narzissten gute oder schlechte Führungskräfte sind.
Die harmlose Selbstverliebtheit eines Narzissten ist nicht zu vergleichen mit psychopathologischen Formen wie beispielsweise narzisstische Persönlichkeitsstörung auf Borderline-Niveau. Im Umgang mit dem narzisstischen Störungsbild ist es wesentlich, es zunächst einmal zu erkennen und zu identifizieren.
Da sich dieses "Störungsmuster" auf der Beziehungsebene abspielt, ist es nicht einfach, die eigene Interaktion von dem Geschehen zu isolieren und das narzisstische Verhalten zu beobachten. Der Narzisst hat erstaunlich feine Mechanismen, die Umwelt in sein System einzuweben. Wesentlich ist bei dieser Beziehungsstruktur, dass sie sich ein Pendant sucht.
Das bedeutet, der Narzissmus ist bei Menschen mit einem ähnlichen Defizit in der Selbstwahrnehmung am wirksamsten. Selbstunsichere oder zur Depression neigende Menschen "suchen" öfters die Nähe dieser mitreißenden Selbstdarsteller.
Paradoxie im Narzissmus: geringes Selbstwertgefühl und Wunsch nach Bewunderung
Narzisstische Menschen überschätzen sich und haben ein großes Bedürfnis nach Bewunderung. Paradoxerweise leiden Narzissten daran, dass sie selbst in ihrer Entwicklung zu wenig Bestätigung und Empathie bekamen. Sie versuchen daher, das geringe Selbstwertgefühl durch übertriebene Einschätzung der eigenen Wichtigkeit und dem großen Wunsch nach Bewunderung zu kompensieren. Durch diese unechte Selbstliebe entsteht ein enormer Druck, das eigene Verlangen nach Bestätigung zu stillen.
Narzissten sind oft darauf aus, neue Bekanntschaften zu machen und sich selbst in einem guten Licht darzustellen. Sie wirken zumindest am Beginn einer Freundschaft sehr offen, charmant, aufregend und vielversprechend. Amy Brunell von der Ohio State University fand in einer Studie mit über 400 Studenten heraus, dass Narzissten kontaktfreudig und beim Kennenlernen äußerst erfolgreich sind. Das Ergebnis bestätigt auch Prof. Mitja Back im dpa-Expertengespräch zu einer Langzeitstudie der Uni Münster: „Narzissten erobern schneller Herzen, finden aber schwieriger Freunde fürs Leben”.
Narzissten: Störungen in privaten Beziehungen
In Studien der Ruhr-Universität Bochum aus dem Jahr 2009 Studien der Ruhr-Universität Bochum aus dem Jahr 200 9 geht es um klinisch unauffälligen „normalen” Narzissmus. Nach Angaben der Universität breitet sich die sogenannte narzisstische Persönlichkeitsstörung weltweit wie ein Virus aus. „Selbstverliebtheit in Beziehung kann eine ausbeuterische Tendenz haben. Druck wird über den klassischen Faktor des Nehmens und Gebens aufgebaut, der in Beziehungen immer eine Rolle spielt. Wenn einer der Partner der Meinung sei, für seinen Einsatz zu wenig zurückzubekommen, ist das ein Warnsignal, das auf eine narzisstische Tendenz schließen lasse”, so Bochumer Sozialpsychologen um Werner Bierhoff.
Bei rund 250 Studierenden, die in Beziehung lebten, wurde zunächst mit dem Narzisstischen Persönlichkeitsinventar (NPI) die individuelle Ausprägung des Narzissmus erfasst. Schließlich beurteilten die Paare jeweils die eigene Attraktivität und die des Partners. Gefragt war hier die Wahrnehmung der äußeren Erscheinung, Statusfragen wie Bildung und Einkommen oder auch die Anziehungskraft der Partner. Bei jedem fünften der befragten Studierenden traten deutlich erhöhte Werte für Narzissmus auf.
Die Bochumer Untersuchungen zeigen die Auswirkungen, die Narzissmus auf eine Partnerschaft hat: „Je narzisstischer die befragte Person, umso mehr überschätzt sie die eigene Attraktivität und damit zugleich die eigenen Beiträge zur Partnerschaft. Die verzerrte Selbstwahrnehmung äußert sich darin, dass Narzissten die Leistung des Partners geringer einschätzen als die eigene und kaum würdigen. Die narzisstische Person übt in der Beziehung ständig Druck auf ihren Partner aus”, so die Sozialpsychologen.
Ein bisschen Narzissmus steckt in jedem Menschen
Ein bisschen Narzissmus steckt in jedem Menschen – die alles entscheidende Frage ist nur, wie viel? Problematisch wird es dann erst, wenn selbst konstruktive Kritik als vorsätzliche und persönliche Beleidigung aufgefasst wird. Narzissten neigen dazu, ihr Selbstwertgefühl auf aggressive Weise zu verteidigen.Auch die ausschließliche Selbstdarstellung eines Narzissten und seine Unfähigkeit, zuzuhören und sich in Gesprächen empathisch einzufühlen, stört in freundschaftlichen oder beruflichen Situationen. Viele Narzissten haben durch stetige Beobachtung gelernt, Gefühle und Emotionen anderer Menschen zu deuten. Sie können daher zwar sehr gut erkennen, was andere Menschen fühlen, denken und beabsichtigen, sie zeigen jedoch wenig Mitgefühl oder Interesse. Eine Studie von der Charité mit Patienten mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung von 2013 zeigt eine Verminderung der grauen Substanz in einer für das Empfinden von Mitgefühl relevanten Region des Gehirns: „Unsere Daten zeigen, dass das Maß an Empathie direkt mit dem Volumen der grauen Hirnsubstanz [...] korreliert und genau hier die Patienten mit Narzissmus ein Defizit aufweisen“, kommentiert Dr. Röpke von der Berliner Charité die Ergebnisse.Studien haben herausgefunden, dass Narzissten nicht wirklich kreativer, schlauer oder besser sind als andere, sie glauben es aber. Und dieser Glaube führt dann tatsächlich zu mehr Erfolg. Narzissten können ihre Grandiosität positiv in ihr Umfeld übertragen, weil sie Begeisterung erzeugen und die Haltung vermitteln, dass nichts unmöglich ist.
Facebook, Instagram und Co fördern Narzissmus
Schon 2006 wurde in einer Studie der San Diego State University herausgefunden, dass junge Menschen noch nie so narzisstisch waren wie jetzt. Dazu beantworteten 6.000 College-Studenten zwischen 1982 und 2006 in den USA die Fragen des psychologischen Tests Narcissistic Personality Inventory.Narzissten erleben einen permanenten Druck, sich von Gruppen zu separieren und ihre Einzigartigkeit und Besonderheit zu zelebrieren. Finden sie keine Bewunderung, können sie sehr wütend werden – die notwendige und gesunde Frustrationstoleranz ist nicht vorhanden. Der Like-Button bei Facebook kann eindeutig als ein Symbol für die zunehmende Ausbreitung und Streuung des Narzissmus in die Gesellschaft verstanden werden.Andererseits relativiert die Tatsache, dass theoretisch jeder zumindest kurzfristig zum Star werden kann, dieses gesellschaftliche Phänomen. Es ist eben nicht ganz so einfach, die Massen hinter sich zu bringen – echte narzisstische Attribute wie Selbstverliebtheit, großes Ego und Geltungsbedürfnis sind Voraussetzung. Der Sinn dieser „Berühmtheitskultur" ist unklar. Unsympathisch, aufgeblasen und materialistisch sind sie – und trotzdem haben Narzissten Hochkonjunktur.
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