Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, oder? Jein. Im Vergleich zu Kindern fällt es Erwachsenen deutlich schwerer, etwas Neues zu erlernen. Doch auch der erwachsene Hans kann noch Wissen aufnehmen – zumindest dann, wenn er über eine entsprechend hohe Lernagilität verfügt. Das HR-Vergleichsportal PEATS liefert Ihnen eine Definition des Begriffs Lernagilität und möchte Ihnen die verschiedenen Dimensionen des theoretischen Konstrukts näher bringen. Außerdem lesen Sie, warum es so gewinnbringend ist, lernagile Mitarbeiter zu fördern.
Lernagilität – was ist das eigentlich?
Lernagilität bedeutet, dass Menschen aus erlebten Situationen und Ereignissen lernen und aus diesen Erfahrungen für die Zukunft schlussfolgern können. Gemeint ist also eine kognitive Leistung, die insbesondere selbstreflektierendes Verhalten, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit verlangt. Das Hinterfragen des eigenen Tuns ist sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld relevant. Unabhängig davon, in welchem dieser Bereiche Menschen ihr Handeln reflektieren, es hilft ihnen in jedem Fall bei der individuellen Entwicklung. Übrigens ist es falsch, dass „lernsteife“ Menschen nicht im Stande sind, etwas zu erlernen. Es bedeutet lediglich, dass sie hierfür vergleichsweise viel Energie investieren müssen.
Was zeichnet lernagile Menschen aus?
Woran sind lernagile Menschen zu erkennen? Welche Persönlichkeitsmerkmale zeichnen sie aus? Lernfähige Menschen sind kognitiv flexibel und können sich aufgrund ihrer schnellen Auffassungsgabe sofort in neue Themenfelder einarbeiten und sich neue Verhaltensmuster aneignen. Sie sind stark selbstreflektiert, sich selbst gegenüber kritisch und nehmen Feedback gerne an. Mit ihrer offenen Einstellung gegenüber Unbekanntem und der Bereitschaft gegenüber Veränderungen stagnieren sie nicht, sondern gehen neue Herausforderungen aktiv an – auch eine große interne Reorganisation stellt für lernagile Mitarbeiter kein Problem dar. Dies ist also auch im beruflichen Umfeld und vor allem bei der Entwicklung von High Professionals von Vorteil.
Lernagilität für Personalauswahl und Personalentwicklung
In den HR-Abteilungen ist nicht bloß die Theorie um die Lernagilität relevant, sondern das Thema wird aktuell vermehrt in die Praxis getragen. Insbesondere in der Personal- und Führungskräfteentwicklung ist hier aber noch deutlich Luft nach oben. Aber warum ist Lernagilität für die Personalauswahl und die Personalentwicklung von Unternehmen so wichtig? Es sind zum einen natürlich die großen Themen, wie die Industrie 4.0 und die voranschreitende Digitalisierung, die zu Veränderungen im Arbeitsalltag vieler Beschäftigte führen werden und eine gewisse Anpassungsfähigkeit erfordern. Diese Aspekte schieben viele Arbeitgeber verdrängend in den Hintergrund; damit könne man sich ja noch in der Zukunft beschäftigen.
Doch selbst kleine Änderungen im Betrieb erfordern Dynamiken und ein Change-Management, bei dem alle Mitarbeiter mitziehen müssen, um den Erfolg des Unternehmens und den Zusammenhalt der Belegschaft zu garantieren. Hierzu zählt beispielsweise die Einführung einer neuen Software, die Einstellung eines neuen Mitarbeiters oder die Aufweichung etablierter Prozesse. Wer eine große Lernfähigkeit aufweist - egal ob Einsteiger oder Top-Management - , kann solch organisatorische Veränderungen schneller umsetzen als andere. Wer sich gegen Veränderungen sträubt, muss an die Hand genommen werden und muss viel Energie aufwenden.
Ein Praxisbeispiel:
Ein Vertriebler hatte am Vormittag zwei Verkaufsgespräche: Person A konnte er sein Angebot verkauft, Person B war besonders kritisch und hat sein Angebot abgelehnt. Ist der Vertriebler lernagil, fragt er sich selbstkritisch, inwieweit sich die beiden Gespräche und Personen unterschieden haben. Was war an Person A anders als an Person B? Wieso konnte ich sie nicht überzeugen? Erreiche ich mit meinem Konzept ausschließlich Personen wie A? Wo war der Fehler? Er vermutet, dass sein Verkaufskonzept etwas veraltet ist und er damit Menschen wie Person B nicht mehr erreicht. Für die Zukunft weiß er, dass er an seiner Strategie feilen und diese flexibler gestalten muss. Nur so kann er sich ideal auf sein Gegenüber einstellen und verkaufen.Verfügt der Vertriebler über keine besonders gute Lernagilität, stellt er sich all diese Fragen gar nicht. Immerhin ist er schon lange im Geschäft, hat viele Erfahrungen gesammelt und Erfolge erzielt. Fehler passieren ihm nie und das ist auch gut so. Person B hatte also einfach kein Interesse. Der Vertriebler wird beim nächsten Verkaufsgespräch nichts verändern.
Lernagilität ist messbar
Laut unterschiedlichen Untersuchungen, wie denen des Anbieters HFMtalentindex oder des Korn Ferry Institutes, ist es möglich, die Lernfähigkeit eines Menschen über verschiedene Verfahren zu messen. Für die Messung wurde die Lernfähigkeit in fünf verschiedene Dimensionen eingeteilt:
Menschliche Agilität
Wer menschlich agil ist, löst Probleme gerne gemeinsam im Team. Sie merken schnell, wie sie auf andere reagieren und können sich daher besser auf die Persönlichkeit und das Verhalten ihres Gesprächspartners einlassen.
Mentale Agilität
Das Lösen komplexer Aufgaben und unklarer Situationen sind Kernkompetenzen von Menschen mit einer mentalen Agilität. Sie sind stark analytisch und können ihre Schlussfolgerungen mit kreativen, unkonventionellen Ideen verknüpfen. Eine erneute Betrachtung des selbigen Problems ist dann nicht mehr notwendig.
Veränderungsagilität
Neugierde, Offenheit sowie die aktive Suche nach neuen Erfahrungen zeichnet Menschen mit einer hohen Veränderungsagilität aus. Change-Management und Reorganisationen bedeuten für sie keinerlei Stress, sondern sind beinahe gewollt. Veränderungsagile Menschen sind oft intrinisch motiviert, schöpfen ihre Energie also vor allem aus ihrer Überzeugung heraus und nicht aus materiellen Dingen.
Ergebnisagilität
Wer ein großes Bedürfnis nach Erfolg besitzt, ehrgeizig und selbstbewusst auftritt, wird im Bereich Ergebnisagilität hohe Werte erzielen. Ergebnisagile Menschen arbeiten fokussiert und sind fähig, unter großem Druck zu arbeiten.
Selbstreflexion
Eine weitere Dimension ist das Maß an Selbstreflexion. Menschen mit einer guten Selbstreflexion sind sich über ihre eigenen Stärken und Schwächen bewusst. Sie sind selbstkritisch und fordern Feedback ein, um die eigene Leistung zu optimieren.
Lernagile Mitarbeiter erkennen und fördern
Wer die Lernagilität in seinem Unternehmen anregen will, kann im Kleinen anfangen: Feedbackrunden und eine gelebte Fehlerkultur tragen dazu bei, dass sich Arbeitnehmer mit ihrem eigenen Handeln kritisch auseinandersetzen. Das Suchen und vor allem Eingestehen von Fehlern fällt vor allem den Beschäftigten schwer, die auf viele positive Bilanzen und eine bisher erfolgreiche Karriere zurückblicken. Wer hier ansetzt und fördert, kann vorhandene Ängste aufweichen und die Selbstreflexion des Mitarbeiters trainieren. Anbieter eignungsdiagnostischer Instrumente, darunter zum Beispiel HFMtalentindex, haben sich genau hierauf konzentriert und unterstützen Unternehmen beim Erkennen und Fördern von Talenten.
Studien zufolge ist die Lernagilität eines Mitarbeiters aussagekräftiger als die bisher erbrachten Leistungen und Erfolge. Die Lernagilität zeigt, welche Potenziale und latenten Talente der Mitarbeiter in seinem Gepäck mitbringt – losgelöst davon, ob dieses schon ausgepackt wurde. Andersrum gesagt: Nur, weil ein Kandidat in der Vergangenheit ein Projekt erfolgreich abgeschlossen hat, ist nicht garantiert, dass dies auch für zukünftige Vorhaben gilt.
Wer sich jedoch als lernagil herausstellt, kann auf Veränderungen flexibel reagieren und sich unterschiedlichen Bedingungen ideal anpassen – die beste Voraussetzung also für eine gute Führungskraft. Wer High Professionals entwickeln möchte, sollte also unbedingt auf eine hohe Ausprägung der Lernagilität achten. Das trifft für die Eignungsdiagnostik im Startup genauso zu wie die in Großkonzernen.
Ohnehin gilt es, die Talente seiner Mitarbeiter zu kennen und weiterzuentwickeln. Nur dann ist Talent Management erfolgreich. Wir gehen noch einen Schritt weiter: Wer lernagile Menschen fördert und entwickelt, gibt damit bisher ruhigen Talenten die Chance, aufzuwachen und diese im Unternehmen gewinnbringend einzusetzen.
Bild: gradyreese, 2016